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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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ehrfürchtigen Flüstern gesenkt und verdrehte auf sonderbare Weise seine Augen - als sehe er im flackernden Feuerlicht hinter Nachtschatten undeutlich etwas Furchterregendes.
    »Wanderer, hör zu«, beschwor ihn Dachsschwanz. »Ich brauche sie. Wenn die Zeit gekommen ist, muß ich mich Petaga ergeben. Nachtschatten ist der einzige Mensch in Cahokia, dem Petaga Glauben schenkt. Sie muß ihm die Nachricht von unserer Kapitulation überbringen. Kannst du sie nicht früher aufwecken?«
    »Nein«, sagte Wanderer sanft. Er senkte den Kopf und blickte auf Flechtes blutüberströmtes Gesicht.
    »Schwester Datura wird Nachtschatten loslassen, wenn sie die Zeit für gekommen hält …
    Dachsschwanz, ich muß mich beeilen. Ich gehe in das Sonnenzimmer, da geben die Feuerschalen genügend Licht. Hilfst du mir? Ich muß ein Loch in Flechtes Schädel bohren, um das Böse herauszulassen - oder sie wird sterben. Ich brauche Werkzeuge und Kräuter. Kannst du mir zwei Sternengeborene schicken, die wissen, wo die Vorräte im Tempel aufbewahrt werden … und dich darum kümmern, daß uns niemand stört?«
    Stirnrunzelnd blickte Dachsschwanz auf das kleine Mädchen in Wanderers Armen. Es war ein auffallend schönes Kind. Das herzförmige Gesicht, die vollen Lippen und die kleine Nase waren so vollkommen wie bei einer mit höchster Kunstfertigkeit geschnitzten Puppe aus Zedernholz. Konnte ein so junges Mädchen tatsächlich durch die Unterwelt reisen und mit der Ersten Frau sprechen?
    »Ich schicke dir Kessel und Drossellied. Vor der Tür zum Tempel postiere ich eine Wache.« Er warf einen raschen Blick auf Orenda. »Wanderer, du kennst dich mit geistigen Dingen aus. Was soll ich mit Orenda machen? Die Leute … wenn sie dahinterkommen … sie werden sie für unrein erklären und ihren Tod fordern. Was kann ich -«
    »Warte ab. Überlaß das Nachtschatten. Sie wird wissen, was zu tun ist.« Vorsichtig darauf bedacht, Flechte keinen unnötigen Erschütterungen auszusetzen, ging Wanderer zur Tür. Wühlmaus folgte dicht hinter ihm. Ihr angsterfüllter Blick wanderte von Tharons grausam zugerichtetem Körper zu Nachtschatten und weiter zu Flechte.

KAPITEL 41
    Gegen eine würgende Übelkeit ankämpfend saß Wühlmaus auf dem Altarsockel neben Flechte und hielt zitternd die Hand ihrer Tochter. Inmitten der prunkvollen Herrlichkeit des Tempels mit den speichenartig angeordneten brennenden Feuerschalen und dem Überfluß glitzernder Meeresmuscheln fühlte sie sich merkwürdig losgelöst, als beobachte sie das Geschehen von irgendwo hoch droben zu weit entfernt, um helfen zu können.
    »Wie fühlst du dich, Wühlmaus?« fragte Wanderer. Er kniete an Flechtes anderer Seite. In sein verwittertes Gesicht hatten sich in der letzten Hand Zeit tausend weitere Falten eingegraben.
    »Ich mache mir Sorgen. Das ist alles.«
    Aufheulende Windböen schlugen auf das Dach ein und ließen feines Schilfrohrmehl herabrieseln.
    Wanderer schielte skeptisch zur Decke hinauf, wandte sich aber gleich wieder seiner Tochter zu.
    Flechte lag auf dem Rücken; ihre Haare breiteten sich wie ein üppiger Schleier um ihren Kopf aus.
    Ihre geschlossenen Augen waren in dunkle Höhlen gesunken. Ihr Puls schlug kräftig, trotzdem hob und senkte sich ihre Brust kaum merklich. Voller Entsetzen und Wut betrachtete Wühlmaus die Kratzspuren, die durch die Fetzen ihres zerrissenen grünen Kleids erkennbar waren.
    Kessel und Drossellied eilten geschäftig umher und holten die Sachen heran, um die Wanderer gebeten hatte. Unter Geklapper und Geschepper zerrten sie Werkzeuge aus den in den Altar eingelassenen Seitennischen.
    Wanderer beugte sich vor und strich liebevoll über Flechtes blutverkrustete lange Haarsträhnen. Zu Wühlmaus sagte er: »Sie hat einen Schädelbruch. Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen. Wir dürfen nicht zu dicht an der Bruchstelle bohren, das könnte alles verschlimmern, aber wir müssen nah genug heran, damit die dort eingesperrten bösen Geister heraus können.«
    Mitten auf dem Altar kochten Biberwurzeln in einem Topf über einer Feuerschale. Der Geist der Biberwurzel war dafür bekannt, das Böse, das Krämpfe verursachte, zu vertreiben. Sein starker, erdiger Geruch erfüllte den Tempel.
    »Wühlmaus«, fragte Wanderer sanft, »würdest du bitte eine Schüssel holen und einen der Lappen herausfischen, die ich in die Biberwurzeln gelegt habe? Wring die Flüssigkeit nicht aus! Wir brauchen den ganzen Geist der Pflanze.«
    Zärtlich drückte Wühlmaus Flechtes

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