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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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daß eine Mutter ihre Kinder nicht stillen wollte, aber dann fand sich stets eine andere Mutter mit einem Neugeborenen als Amme für den unglücklichen Säugling. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum der Stamm die Kinder von diesem Hund, einem halben Wolf, säugen ließ.
    Zögernd trat er näher. Nachtschatten legte den Kopf schräg und schaute lächelnd zu ihm auf.
    Dachsschwanz blieb einen Moment regungslos stehen. Irgendeine Veränderung war mit dieser Frau vor sich gegangen. Sie sah fast überirdisch schön aus mit den langen, in blauschwarzen Wellen über die Schultern des roten Kleides flutenden Haaren. Die argwöhnische Vorsicht, die sonst in ihren Augen stand, war einer heiteren Gelassenheit gewichen. Sie strahlte ebensoviel Wärme aus wie die fernen Wüsten ihrer Heimat im Verbotenen Land.
    Dachsschwanz kniete auf der anderen Seite der Hündin nieder und streichelte deren Rücken. »Wie geht es Orenda?«
    »Sie ist heute morgen kurz aufgewacht, aber gleich wieder eingeschlafen.«
    »Wird sie wieder völlig gesund?«
    »Ja, ich habe mit ihrer Seele gesprochen. Sie hat rasende Kopfschmerzen, aber sie wird gesund.«
    Herausfordernd hob Nachtschatten den Kopf. »Was willst du, Dachsschwanz?«
    »Deine Hilfe.«
    »Wobei?«
    Sogar ihre Stimme klang anders als sonst: ruhig und tief wie das Grollen des Vaters der Wasser, wenn er im Frühjahr mehr Wasser führt. Er antwortete: »Ich - ich kann diese Schlacht nicht gewinnen.«
    Sie wich seinem Blick nicht aus. »Und?«
    »Wirst du, wenn die Zeit kommt - wann immer das sein mag, vielleicht heute abend, vielleicht morgen früh -, Petaga eine Botschaft von mir überbringen? Ich fürchte, falls ich jemand anderen zu ihm schicke, denkt er, ich will ihn hereinlegen.«
    »Und was soll ich ihm ausrichten, Dachsschwanz?«
    In einer Geste, die gleichermaßen Ausdruck des Scheiterns wie der Hilflosigkeit war, hob er die Hände und spreizte die Finger. »Ich habe Verständnis für seinen Zorn, seinen Haß. Ich mißgönne ihm seine Rache nicht. Er kann mit mir machen, was er will, aber er soll meine Krieger ziehen lassen. Ich möchte, daß sie nach Hause zu ihren Familien gehen und ihr normales Leben wiederaufnehmen können. Ich weiß nicht, ob Petaga ihnen je soweit vertrauen wird, daß er sie in Zukunft in seine Dienste nimmt. Ich jedenfalls bin davon überzeugt, daß sie sich dem neuen Häuptling Große Sonne gegenüber loyal verhalten werden.«
    Nachtschatten strich mit den Fingern über die Binsendecke, auf der sie lag. Ihre Fingerspitzen folgten den Linien der schwarzen und grünen Zickzackreihen. »Er wird sie alle töten - weil sie beim Massaker in River Mounds dabei waren.«
    Dachsschwanz mahlte mit den Zähnen. Es war ihm unangenehm, seine verborgensten Ängste laut ausgesprochen zu hören. Blitzartig kamen ihm die quälenden Bilder von Rotluchs' Tod in den Sinn. Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß auch Petaga immer wieder vom Alptraum des Todes seines Vaters heimgesucht wurde. »Ich weiß, Nachtschatten. Trotzdem, es wäre unklug von ihm, diese Männer und Frauen abzuschlachten. Sie haben hier viele Bindungen - Ehegatten, Kinder und Enkel.
    Wenn er diese Krieger umbringt, kann er nie über dieses Dorf herrschen. Das heißt, er muß Cahokia verlassen und nach River Mounds zurückkehren.
    Und damit verliert er den Einfluß auf den Handel, den Bergbau und die Landwirtschaft. Die Stammes-Führerinnen aus Cahokia wissen, wie die Verwaltung und die Wirtschaft funktionieren. Es würde zwangsläufig zu weiteren Kämpfen kommen. Die Folge davon wäre, daß das Häuptlingtum unter Petagas Herrschaft auseinanderbricht.«
    »Ich bin sicher, dessen ist er sich bewußt.«
    »Dann sollte er schleunigst anfangen, sich um diese Dinge zu kümmern.«
    Eine Zeitlang blickten sie einander schweigend an. Jeder versuchte, in die Seele des anderen zu schauen.
    Schließlich holte Nachtschatten tief Luft und nickte. »Gut. Ich werde ihm deine Botschaft überbringen, Dachsschwanz.«
    »Würdest du Jenos' Kopf mitnehmen? Sag Petaga, ich erwarte kein Entgegenkommen und keine Gegenleistung dafür.«
    »Natürlich. Ich händige ihm den Kopf des Häuptlings Großer Mond aus.« Ihre Augen schienen sich zu weiten und ihn in unergründliche Tiefen zu ziehen. »Und du willst dich ihm ausliefern? Er wird alles in seiner Macht Stehende tun, damit du so langsam wie möglich stirbst.«
    Einen scheinbar endlosen Augenblick lang versenkten sich ihre Blicke ineinander, dann nickte

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