Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
Dachsschwanz bedächtig. »Ich weiß es.«
    Die Hündin schien der Säuglinge überdrüssig und wollte aufstehen. Der Bann zwischen ihnen brach wie eine Eisplatte auf einem Teich, die gegen einen Sandsteinfelsen schlägt. Nachtschatten befahl:
    »Nein, noch nicht!«
    Dachsschwanz drückte sanft den Hals des Tieres nach unten und flüsterte ihm in die gespitzten Ohren:
    »Schon gut, Mädchen. Schsch, leg dich wieder hin. Ja, so ist es gut. Braves Mädchen.« Liebevoll tätschelte er der Hündin den Rücken.
    Die Babys hatten fürchterlich zu schreien begonnen, als ihren hungrigen Mündern die Zitzen so jäh entzogen wurden. Nachtschatten brachte die Köpfe der Kinder erneut in die richtige Lage, damit sie saugen konnten. Aber der Hund war unwillig, knurrte und versucht erneut, aufzustehen.
    Dachsschwanz drückte mit seinem ganzen Gewicht auf die Schultern des Tieres, damit es liegen blieb.
    Nachtschatten lachte über dieses Bild - und brachte mit ihrem unerwarteten Heiterkeitsausbruch auch ihn zum Lachen. Sie blickten einander an; ihre Gesichter waren nicht weiter als drei Hand voneinander entfernt. Ein Gefühl der Wärme umloderte die beiden wie ein stärkendes, wohltuendes Feuer in einer kalten Winternacht. Wie kannst du mich nur so ansehen, Nachtschatten, da doch unsere Welt am Rande des Zusammenbruchs steht?
    »Dachsschwanz!«
    Die Sanftheit in Nachtschattens Gesicht traf ihn bis ins Mark. Es geschah äußerst selten, daß er einem Blick nicht standhalten konnte, aber dieses Mal senkte er geschlagen die Augen. »Was ist, Nachtschatten?«
    Langsam fand er zurück in die Wirklichkeit. Immer deutlicher drang Kampfgetöse an sein Ohr: überraschte Rufe, Siegesgebrüll und Schmerzensschreie. Die Krieger auf den Plattformen stießen heulende Kriegsrufe aus. Sie zogen Pfeile aus den Köchern und kauerten sich schußbereit nieder.
    Dachsschwanz sprang eilends auf und rannte davon.
    Die Angst trieb Flechte auf dem schmalen Pfad voran, der durch das gewellte, baumbestandene Hügelland führte. Hoch aufragende Pappeln reckten ihre grauen Arme zum Himmel hinauf und schufen einen dichten Baldachin über ihr. Dämmriges Licht sickerte hin und wieder durch die Zweige und malte schimmernde, konturlose blaugrüne Flecken auf den Pfad.
    Aus der Tiefe des Waldes erklang eine tiefe, rhythmisch an- und abschwellende Stimme. Es war unzweifelhaft die Stimme einer alten Frau. Sie erhob sich mit dem Wind im Takt der heiligen Trommelschläge. Klagende Flöten begleiteten den Gesang der Frau und gaben dem Lied etwas Betörendes, das Flechtes Herz in Aufruhr versetzte. Das Lied erinnerte sie an die alten Geistergesänge ihres Volkes.
    Der Wald schien sie zu umfangen. Die Bäume neigten sich zu ihr herab. Flechte erschauerte. Dies war kein schöner, angenehmer Ort. Sie hatte das Gefühl, er sei uralt. Er schien so fern der ausgetretenen Pfade, als habe kein lebendes Menschenwesen jemals gewagt, ihn zu betreten. Umgestürzte Bäume erstickten den Waldboden, und wo immer Licht durchfiel, gedieh üppiges Dornengestrüpp. Leise, gedämpfte Stimmen murmelten in den Ranken. Das Flüstern klang wie das Winseln von Kojoten, die sich an eine verwundete Beute heranschlichen.
    Flechte blieb stehen und drehte sich im Kreis. »O Erste Frau, wo bist du? Ich habe Angst. Ich weiß nicht, wie ich dich finden soll. Erste Frau!«
    Verzweifelt schluchzend begann sie wieder zu laufen, rannte hinunter in eine Senke und auf der anderen Seite wieder hinauf.
    Vater Sonne versank im Westen; sein purpurroter Glanz schien zwischen den unendlich vielen Ästen in tausend Stücke zu zersplittern. Die Luft wurde kälter, und sie hatte weder einen Mantel noch eine Decke dabei. Wie kalt wurde es in der Unterwelt? Konnte sie sich ins Gras legen und ein wenig schlafen … Nein, du darfst nicht schlafen! Du mußt weitergehen. Du weißt, was Nachtschatten gesagt hat: Petaga wird Cahokia bald angreifen. Vielleicht sogar schon jetzt! Wenn du die Erste Frau nicht findest, müssen alle sterben! Die Jagd. Mutter Erde war auf die Jagd gegangen.
    Zu Anfang, als Flechtes verwirrte Seele ihrem Körper entflohen war, fühlte sie sich verloren und hatte schreckliche Angst. Doch ein strahlendes weißes Licht schwebte aus der undurchdringlichen Finsternis auf sie zu und sprach freundlich und tröstend zu ihr. Nachtschattens Seele, wärmend wie ein Feuer im Winter, hatte den Weg für Flechte erhellt.
    »Erste Frau, ich muß dich finden. Das weißt du. Warum hilfst du mir nicht?«
    Mit

Weitere Kostenlose Bücher