Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste
wenn er sie für verrückt hielt? Sie würde bald weggehen und ihn nie wiedersehen. »Ein Mammut. Ein Mammut hat es mir gesagt. Es ist mir egal, ob du es glaubst oder nicht. Es ist die Wahrheit. Ich weiß, daß wir ohne Erlaubnis in deine Höhle eingedrungen sind. Aber nachdem ich einmal zu dem Felsband hinuntergeklettert war, hatte ich nicht mehr die Kraft, wieder hinaufzuklettern, und dein Lager aus Häuten sah so einladend aus.« Nervös wiegte sie Wolkenmädchen in den Armen. »Es tut mir leid. Wir gehen, sobald der Sturm vorüber ist.«
Er schaute sie aufmerksam an. »Erzähl mir mehr über das Mammut. Hat es tatsächlich mit dir gesprochen?«
»Mit mir?« fragte Turmfalke überrascht. »Heilige Geister, nein. Ich bin kein Träumer. Ich hatte mich im Wald verirrt, als ich das Mammut sah, und hatte seit zwei Tagen nicht geschlafen. Ich glaubte zu phantasieren. Als die Kuh mich sah, hob sie ihren Rüssel hoch und pflückte etwas Moos zum Fressen ab, dann verschwand sie. Ich habe ihre Spuren gefunden und sie auf dem Mammutpfad wieder vor mir gesehen. Sie hat sich immer wieder nach mir umgeschaut, um sicherzugehen, daß ich ihr auch folge.«
»Und das hast du getan?«
»Ja, es war offensichtlich das, was sie wollte.«
»Sie hat dich zu dem Handgriff im Felsen geführt?«
Turmfalke nickte. »Und dann bin ich hinuntergeklettert, ja.«
Er schlenderte zum Eingang der Höhle und stemmte eine Hand gegen den Felsen. Nach einer Weile schaute er über die Schulter nach ihr zurück. »Woher wußtest du, daß sie wollte, daß du hinunterkletterst? Du kannst die Höhle von der Oberkante des Kliffs aus nicht sehen. Du konntest auch meine Spuren nicht entdeckt haben, weil ich immer sehr darauf achte, dort oben auf dem nackten Felsen zu laufen.«
»Ich wußte es einfach.« Turmfalke zuckte die Schultern. Sie erinnerte sich gedacht zu haben, daß die Vertiefung im Fels nicht natürlich sein konnte, sondern wie ein mit Werkzeugen herausgehauener Haltegriff aussah, was bedeutete, daß dort unten etwas sein mußte. »Und so bin ich hinuntergeklettert.«
Er starrte sie unverwandt an, und in ihm schien sich ein Gedanke zur Gewißheit zu verfestigen. Mit leiser Stimme sagte er: »Das solltest du auch tun. Offensichtlich bist du hierher geführt worden, genau wie ich. Die Frage ist jetzt: Warum hat man uns zusammengeführt?«
»Was meinst du mit zusammengeführt? Ich gehe hier weg, sobald ich kann.
»Das würde ich an deiner Stelle nicht sagen. Es könnte sonst noch wochenlang schneien.«
Großer Blitz! Sie war doch wohl nicht an einen Verrückten geraten? »Wovon sprichst du?«
»Wenn Mammut-Oben einen Plan hat, dann fuhrt sie ihn eigensinnig durch. Das weiß ich.«
Ein merkwürdiges Glitzern leuchtete in seinen Augen, wie bei einer Katze, die reglos vor einem Mauseloch lauert. Turmfalke fühlte sich unwohl dabei. »Ich denke nicht…«
»Vielleicht denkst du das nicht. Aber glaube mir, du wurdest aus irgendeinem Grund hierher geführt.«
Seine Gesichtszüge strafften sich, als er Turmfalke noch einmal genauer in Augenschein nahm. »Ich frage mich nur, aufweiche Weise du mir helfen sollst.«
»Du bist verrückt. Ich bin nicht hier, um dir zu helfen. Ich gehe morgen hier weg, wenn ich kann.«
Turmfalke setzte sich aufrecht. »Du bist von Geistern besessen.«
»Das wäre einmal eine angenehme Abwechslung«, sagte er, und es klang so, als meinte er es ernst. Er schob sich vom Felsen weg und ließ den Arm sinken. »Ich wollte dich nicht ängstigen. Entschuldige.
Aber es wühlt mich auf, wenn ich mitten in einen Plan der Geister geworfen werde, den ich nicht verstehe.«
Er ging zu seinem Bündel und nahm eine Holzschale und zwei Tassen heraus. Dann kam er zurück und hockte sich wieder vor das Feuer.
Am Rand der Feuergrube hing ein Beutel aus Darmhaut an einem Dreibein aus Eichenästen, die er an der Spitze zusammengebundenen hatte. Er nahm zwei Holzstücke von dem Brennholzstapel, hob mit ihnen einen heißen Stein aus dem Feuer und warf ihn in den Kochbeutel. Als der Stein in die Flüssigkeit fiel, zischte Dampf auf. Er wartete ein paar Sekunden, hängte dann den Beutel schräg und goß zwei dampfende Tassen Tee aus. Die Tassen stellte er beiseite und legte zwei Fische in die Schale, die er Turmfalke gab. Sie nahm sie dankbar an. Den letzten Fisch warf er dem Hund hin, der an der Rückwand der Höhle lag. Helfer schlang ihn in vier Bissen hinunter und wedelte mit seinem fast kahlen Schwanz.
»Ißt du nichts?« fragte
Weitere Kostenlose Bücher