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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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wenn der Schnee vollständig geschmolzen ist, werde ich die schwachen Abdrücke ihrer Mokassins im Schlamm erkennen können.
    Und dann werde ich die Stellen finden, wo sie auf ihrer Flucht Zweige abgebrochen hat. Der Schnee muß getaut sein, bevor ich die Stellen erkennen kann, wo sie sich an Haufen trockenen Geästs emporgezogen hat, um darüber hinwegzuklettern. Es ist nicht einfach, die halbmondförmigen Abdrücke ihrer Fingernägel in der Baumrinde zu finden, ihr jungen Narren.«
    Abdrücke von Fingernägeln!« Feuerstein mußte sich vorbeugen und sich den Bauch halten, so heftig lachte er. Auch seine Brüder brüllten vor Lachen. »Dieser alte Händler muß uns für dumm halten, ihr Brüder. Niemand kann so etwas finden.«
    Rabenlicht rief herausfordernd: »Übrigens, was ist eigentlich mit diesem toten Kind von dir passiert?
    Ist es blind geworden? Ich dachte, du hättest gesagt, Kleiner Kojote könne den Weg deiner Frau sehen.« Wütend glitten Stechapfels Blicke über die Versammlung. »Ich warne euch, redet nicht von meinem Sohn! Ihr seid es nicht wert, seinen Namen auszusprechen. Kleiner Kojote wird euch alle töten. Er hat mehr Macht, als irgendeiner von euch auch nur träumen kann. Wartet, bis er das Sprechen lernt. Dann wird es euch leid tun, daß ihr jemals gespottet habt.«
    »Ach, sprechen wird er auch?« stichelte Feuerstein. »Da müßte man ja hier in der Nähe bleiben, um das nicht zu versäumen. Aber ich glaube, es ist wahrscheinlicher, daß Vater Sonne im Westen aufgeht.« Milan hob gebieterisch eine Hand, und seine Brüder verstummten. Er blickte Stechapfel unverwandt an, als sähe er plötzlich den schmalen Grat, auf dem sich der Händler zwischen Gesundheit und Wahnsinn bewegte. Dann schaute er kurz auf Tannin. Ihre Blicke trafen sich.
    Tannin schüttelte den Kopf und senkte die Augen. Milan stieß die Luft aus. »Stechapfel«, sagte er freundlich, »ich verstehe jetzt, warum du warten willst, bis der Schnee geschmolzen ist. Spurenlesen verlangt Geduld. Aber du mußt verstehen, daß meine Brüder und ich nicht deine Geduld haben und auch nicht deine Fähigkeiten. Hier im Wald sind wir nutzlos für dich.«
    Stechapfel wollte etwas Böses entgegnen, aber Tannin umklammerte dessen Handgelenk, um ihn zurückzuhalten. »Bitte, Stechapfel, laß Milan ausreden!«
    Stechapfel schnauzte: »Sprich weiter!«
    Milan fuhr mit ruhiger Stimme fort: »Morgen früh machen wir uns auf den Weg zur Küste. Wir werden beim nächstgelegenen Dorf anhalten und uns erkundigen, ob deine Frau dort gesehen worden ist.
    Wenn nicht, suchen wir weiter. Es gibt nur wenige Dörfer direkt am Meer. Wir sollten sie alle innerhalb eines Monds ablaufen können. Und irgendwo werden wir hoffentlich auch einen Händler finden, der unserer Mutter eine Nachricht über Büffelvogel überbringen kann.«
    »Dann geht!« schrie Stechapfel. »Uns ist es egal. Wir nahmen euch nur mit, weil ihr uns leid getan habt. Wir werden meine Frau finden, und sobald wir sie haben, gibt es für uns keinen Grund, euch zu suchen. Meinetwegen könnt ihr bis zum Ende eures Lebens an der Küste bleiben.« Stechapfel entfernte sich vom Feuer und ging zu seinen Schlafdecken.
    Tannin ließ den Kopf in die Hände sinken. Er konnte Milan leise mit seinen Brüdern sprechen hören, doch die Worte waren nicht zu verstehen. Sein Herz schlug dumpf in der Brust.
    »Tannin …«, sagte Milan, als er um das Feuer herumkam. In seinen Augen lag ein Ausdruck von Vorsicht. Vielleicht dachte er darüber nach, wieviel er ohne Gefahr sagen konnte.
    »Was ist, Milan?«
    Der deutete mit dem Kinn zu Stechapfel hin. »Er ist von einem Geist besessen. Du weißt es, und doch tust du nichts, um ihm zu helfen.«
    »Was kann ich tun?« Tannin schaute auf. »Sag es mir!«
    »Bring ihn nach Hause und kümmere dich um ihn. Laß für ihn singen. Vielleicht wird der böse Geist ihn nach mehreren Monden der Ruhe und guten Essens verlassen, und seine Seele kann sich wieder mit dem Körper verbinden.«
    »Ja, ich weiß, daß ich ihn nach Hause bringen sollte. Aber er läßt nicht einmal zu, daß wir darüber sprechen. Ich habe es versucht.«
    »Wenn er mein Bruder wäre«, erwiderte Milan, »würde ich ihn nach Hause bringen, ob er das nun wollte oder nicht. Wenn nötig, würde ich ihn mit meiner Kriegskeule auf den Kopf schlagen und ihn den ganzen Weg tragen.«
    Tannin nickte grimmig. »Ich habe schon daran gedacht.«
    Milan beugte sich vor, um ihm ins Gesicht zu sehen: »Denke nicht, tu

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