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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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auch die Macht Begrenzungen unterworfen.«
    Er hob den Kopf. Hinter Turmfalkes großen, unschuldigen Augen verbarg sich etwas Scharfsinniges.
    »Wie merkwürdig, daß du das verstehst. Die meisten Menschen glauben, die Macht könne alles, was sie will. Natürlich kann sie das nicht. Die Geister bereiten die Träumer sehr sorgfältig auf die letzten verzweifelten Momente vor, die sie in einem bestimmten Alter erwarten. Aber nicht einmal die Geister können die Welt zwingen, so zu sein, wie sie sie gerne hätten und wie sie sein sollte.«
    »Meine Großmutter hat mir einmal erzählt, daß die Macht sehr früh beginnen muß, wenn sie das Leben eines Menschen beeinflussen will. Sie muß beim Kind anfangen …«
    »Ja, beim Kind, und dann muß sie beständig daran arbeiten, den Erwachsenen für ihre Zwecke zu formen. Träumer sind Werkzeuge nicht mehr und nicht weniger.« Glaubte er tatsächlich, daß die Macht den Träumern gegenüber gleichgültig war? Nein, das glaubte er nicht wirklich. Er wußte, daß Alter-Mann-Oben und Mutter-Ozean sich ständig Sorgen um ihn machten. Und er konnte spüren, daß Wolfsträumer und Mammut-Oben ständig für ihn arbeiteten, ihm halfen, ihn ermutigten.
    »Haß ist wie eine eiternde Wunde. Sie zerfrißt die Seele und läßt sie schwarz und häßlich werden - so wie bei Stechapfel.« Turmfalke aß ihre letzte Muschel auf und beobachtete, wie der Morgen über Mutter Ozean heller wurde.
    Sie sah traurig und gedankenverloren aus. Riesentruthahngeier flogen träge über den Strand. Sie jagten im flachen Wasser nach Meerestieren, die von der Flut der letzten Nacht angeschwemmt worden waren. Ihre schwarzen Flügel blinkten im lavendelfarbenen Schimmer des Sonnenaufgangs. In der Ferne blies ein Wal, und eine Wasserfontäne schoß hoch. Sonnenjägers Augen verengten sich beim Anblick der Schönheit der Natur. Der Duft des Meeres, der Geruch von trocknendem Tang, von Fisch und von taufeuchtem Farn lag in der Luft.
    »Sonnenjäger, warum, denkst du, verlangt die Macht immer so viel von ihren auserwählten Träumern?«
    Er atmete tief aus. »Weil die Rettung nur zum Preis der Seele erkauft werden kann. Aber wir sollten Alter-Mann-Oben danken, Turmfalke, daß sie überhaupt erkauft werden kann.«
    Einen Moment glühten ihre Augen. Er bemerkte, wie sie die Hände im Schoß zu Fäusten ballte.
    Sonnenjäger zwang sich förmlich, eine seiner Muschelschalen aufzubrechen und das Fleisch hinunterzuwürgen. Es lag noch ein langer Weg vor ihnen, und er hatte inzwischen das Bedürfnis, die ganze Strecke zu rennen. Er konnte noch zwei weitere Muscheln hinunterbekommen, die letzten zwei verfütterte er an Helfer.
    »Sonnenjäger, erzähl mir von Klebkraut. Wie ist er?«
    »Er ist ein alter Dummkopf.« Wie konnte er so etwas sagen? Die Worte waren ihm über die Lippen geschlüpft, bevor er darüber nachgedacht hatte. Er wußte nicht einmal mit Sicherheit, ob Klebkraut wirklich der Hexer war. Ich klinge allmählich wie ein beleidigter Junge.
    »Ein Dummkopf? Und doch glaubt der Otter-Klan, daß er ein richtiger Träumer ist?«
    »Manche glauben es. Vielleicht alle. Ich weiß es nicht.«
    Sie verstummten. Turmfalke biß sich nervös auf die Unterlippe und fügte die Muschelhälften in ihrer Eßschale mit großer Sorgfalt zu einem neuen Ganzen zusammen. Klappernd fielen sie gleich darauf wieder auseinander.
    Sonnenjäger machte eine hilflose Geste. »Klebkraut hat den Mammut-Geist-Tanz geleitet, als ich in den Bergen war, um zu heilen. Ich habe gehört, daß er immer als erster den Tänzerkreis verließ.« Was ist los mit dir? Was macht das schon für einen Unterschied? »Seine Hingabe an Mammut-Oben dauert nur so lange, wie es angenehm für ihn ist.«
    »Er ist also kein besonders guter Träumer.«
    »Stimmt.« Mutter Ozean, bitte laß mich damit aufhören! Ich mache mich lächerlich. »Turmfalke«, sagte er mit gepreßter Stimme, »ich denke, wir sollten aufbrechen.«
    Mit einem Gefühl von Übelkeit im Magen stand er auf. Als er an Turmfalke vorbeiging, legte er ihr zärtlich eine Hand auf die Schulter und machte sich daran, die restlichen Dinge in sein Bündel zu packen. Turmfalke drehte sich um und sah ihn an. »Wenn es sich herausstellt, daß dieser Klebkraut der Hexer ist, kannst du ihm dann Einhalt gebieten?«
    Sonnenjäger hob ein Körbchen aus gefärbter Rinde auf. Es war das, in dem er die Ameisen aufbewahrt hatte. »Ja, wenn es soweit ist.« Wieder fühlte er, wie die Wut brennend durch seine Adern

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