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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Schlamm würde das einfach sein. Wie konnte sie …
    Aus dem Nirgendwo zerriß ein rauher Schrei die Dunkelheit. Auf dem Bergrücken stand Eiskraut als Silhouette vor dem lodernden Dorffeuer. Tannin und Waldkaninchen hielten seine Arme auseinander, während Stechapfel ihm mit aller Kraft seine Kriegskeule über den Kopf schlug. Turmfalke sah, wie Eiskrauts Knie einknickten. Stechapfel zog das Messer aus seinem Gürtel, stieß es in Eiskrauts Bauch und zog dann einen Schnitt bis hoch zum Brustbein. Ein kleiner, mitleiderregender Laut entschlüpfte Eiskrauts Lippen, als Tannin und Waldkaninchen ihn auf die Knie fallen ließen. Die Menge wich zurück. Dunkles Blut strömte aus Eiskrauts Wunde. Mit einer Hand krallte er sich in den Boden und grub die Finger in den Schlamm. Er hustete. Roter Schaum stand ihm in Blasen vor den Lippen. Mit großer Anstrengung hob er den Kopf und starrte über das Dorf hinaus zu ihr hin. »Lauf!« preßte er halberstickt heraus. »Lauf, Turmfalke!«
    Sie drehte sich um und zwängte sich eilig durch den Salbei, wobei sie voll Entsetzen flüsterte: »Lauf bergauf, bergauf.« Verwundete Tiere laufen immer bergab. Stechapfel wird das erwarten. Er denkt, daß ich geschlagen bin, daß er keine Probleme haben wird, mich zu finden. Deswegen jagt er mich jetzt noch nicht.
    Sie umrundete das Dorf und zwang ihre erschöpften Beine bergauf, bis sie von dem roten Felsenkamm westlich des Dorfes auf das große Feuer hinabblicken konnte. Als sie Eiskraut sah, begann Turmfalke so stark zu zittern, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Er lag reglos auf dem Rücken. In seinem dunklen Haar schimmerte der Regen. Der Feuerschein überzog seine weit geöffneten Augen mit einer Schicht aus purem Gold, so daß sie zu glühen schienen. Als ein Windstoß kam, zuckte der Widerschein der Flammen durch die Menge wie ein ruheloser Geist und beleuchtete das Gesicht jeder Person, die dem Verbrechen beigewohnt hatte.
    Stechapfel stand vor der Hütte von Altes Stachelschwein und unterhielt sich mit Tannin. Er lächelte und brach dann in ein rauhes Lachen aus, das tief aus dem Bauch kam. Haß stieg in Turmfalke auf, ein so starker, so furchterregend abgrundtiefer Haß, daß die restliche Welt dahinter verschwamm. »Ich werde dich töten, mein Mann«, schwor sie. »Eines Tages werde ich dich verwundbar finden.«
    Ein Blitz spaltete die Dunkelheit, doch die Donnerwesen blieben still, als fürchteten auch sie den Flammendolch, der von Turmfalkes Seele Besitz ergriffen hatte und sie verzehrte. Im unheimlichen Nachleuchten des Blitzes erschienen die Gipfel des Mammutgebirges im Westen wie die Silhouetten riesiger Tiere, die, plötzlich aufgeschreckt, zur Reglosigkeit erstarrt waren. Einer der Gipfel machte auf sie den Eindruck, als hätte eines der Tiere den Oberkörper aufgerichtet, um ihr einen Wink zu geben, so als würde es sagen: Das ist der Weg. Komm diesen Weg …
    Turmfalke umklammerte ihren Leib und warf einen langen Blick zurück auf das Dorf. Eiskrauts Körper schien sich in dem wechselhaften, im Wind flackernden Feuerschein zu bewegen, manchmal war er zu sehen, dann wieder nicht.
    Zärtlich flüsterte sie: »Ich gehe zur Küste, Eiskraut, wie du es wolltest… zum Volk deiner Mutter. Ich bete darum, daß sie uns aufnehmen.«

3. KAPITEL
    Das weiße Haar fiel Melisse in die Augen, als ein Windstoß den nächtlichen Strand entlangfegte. Mit dem Wind drang der stechende Geruch von Salz und Sand in seine Nase. Die Fransen seiner Jacke aus Rehbockleder flatterten. Er zog die Knie enger an die Brust und warf einen langen Blick auf die alte Frau an seiner Seite. Sumach saß da wie ein steinerner Wächter. Ihr faltiges Gesicht glänzte von Gischttröpfchen, und sie beobachtete den Strand aus Augen, die sogar noch älter waren als seine. Er streichelte sanft ihr Knie, und sie verflocht ihre Finger mit seinen.
    Lautes Schnarchen und das Husten von Kindern drangen aus dem Dorf des Otter-Klans in dem Tannenwald hinter ihnen. Die anderen schliefen alle. Nur Melisse und Sumach waren die ganze Nacht wach geblieben. Sie hatten zusammengesessen und beobachtet, wie das Sternenvolk seine Kanus durch die dunklen Meere im Lande der Toten lenkte; sie hatten den Nachtvögeln gelauscht, das fluoreszierende Licht der Brandung bewundert und ihren Erinnerungen nachgehangen.
    Mit den Augen der Seele konnten sie den Schleier der Gegenwart durchdringen und in die Vergangenheit schauen. Nur dort vermochte Melisse noch die riesigen

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