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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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strömten, am Rande eines tiefblauen Ozeans, breite Flüsse in eine große Bucht. Sie sah ein Paar auf einem Berg aus Muschelschalen; es saß an einem klaren Gewässer und sprach bedächtig miteinander. Zwischen den beiden lag ein kleiner Fetisch, den sie betrachteten.
    Wieder wurde sie hochgetragen, über die Furchen alter Gebirge, in ein Land, das ihr bekannt vorkam.
    Es war Sternhimmelstadt, die unter ihr lag. Sie sah die riesige geometrische Anlage, das Achteck, den Großen Ring und die Wege im Wall.
    Der Wind riß sie nach Norden, zu einem Süßwassermeer. Weiter ging es zu einem Fluß, dessen klares Wasser zu brodeln schien. Sie schwebte über einer Insel, wo sich der Fluß teilte. In der Ferne hörte sie schwaches Donnergrollen. Als sich die Flußarme wieder vereinigten, sah sie im Westen weiße Dunstwirbel aufsteigen.
    Sie beobachtete diese Szene lange und fühlte, wie ihr Herz raste. Aus dem Dunst starrte die Maske sie an und sank dann langsam in das Donnergetöse mächtiger Wasserfälle. Dann verschwand sie plötzlich aus ihrem Blickfeld, fiel wie ein Stein, von Kinderhand geworfen, tief hinab in die Sturzflut.
    Sternmuschel schrie auf und wich zurück.
    Sie wankte über das Geröll, und die Schale fiel herunter und zersprang auf dem schroffen schwarzen Stein in winzige weiße Scherben.
    Sie schreckte aus tiefem Schlaf auf und setzte sich auf; kalter Schweiß rann ihr über den Körper.
    »Was ist?« fragte der Magier und richtete sich ebenfalls auf.
    Blinzelnd wie eine Eule sog Sternmuschel gierig die kalte Luft ein. »Ein Traum. Gräßlich und schön.
    Ich sah eine Schale - und darin lag die ganze Welt.«
    Sie preßte eine Faust an ihr Herz. »Und die Schale fiel… und zersprang.«
    Sie atmete erschöpft aus und schloß die Augen. Sie hatte die Vision des Traums noch lebhaft vor Augen. Bruchstücke der Schale schimmerten weiß auf dem schroffen Fels.
    »Die Macht streift frei herum«, sagte der Zauberer sanft. »Schlaf wieder ein.«
    Sternmuschel hörte den alten Hund leise winseln. Sie drehte sich um, und was sie da sah, verschlug ihr den Atem.
    Das Gesicht von Muschelschale war schmerzverzerrt. Mit glasigem Blick - wie aus einer leeren Seele - schaute sie so, wie Glimmervogel geschaut hatte. Neben dem Feuer fiel Muschelschale zusammen, die Maske mit versteinerten Fingern umklammert.
    Der Zauberer schrie auf und warf die Decken beiseite.
    Das Gesicht des Raben leuchtete im Feuerschein. Der Widerschein der roten Glut auf dem tiefschwarzen, polierten Schnabel glich Blutflecken. Der schwarze Federkragen flimmerte gespenstisch scharlachrot, grün, blau und violett. Die Augenhöhlen, nur schwarze Löcher, starrten gebannt auf ein festes Ziel im Raum.
    Sternmuschel folgte dieser Richtung.
    Da saß Silberwasser wie erstarrt, ihre Decken waren teilweise weggerutscht, und ihr junges Gesicht, eingerahmt vom Gewirr der schwarzen Haare, war völlig zusammengefallen. Es hatte jede Farbe verloren, und mit großen Augen erwiderte sie den Blick der Maske.
    »Nein!« schrie Sternmuschel und stürzte zu ihrer Tochter.
    In die unheimliche Stille hinein heulte nur der alte Hund.
    Wanderdrossel lag im Haus des Zürgelbaumclans neben dem Feuer. Er fuhr plötzlich aus dem Schlaf auf, denn er hatte einen Schrei gehört, einen lauten Schrei, der aus seiner Seele kam. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
    Was war das für ein Schrei? Dann vernahm er Worte, die ihm der Winterwind zuzuflüstern schien.
    Höre, Krieger, ich habe wenig Zeit. Für einen kurzen Augenblick konnte ich mich aus dem Gewahrsam des Zauberers freimachen.
    »Wer bist du?« fragte Wanderdrossel leise.
    Ich bin, was du begehrst. Fürchte den Zauberer nicht, Krieger. Ich habe seine Seele berührt. Er ist zwar ein Zwerg, aber seine Macht schwindet, sie geht dahin, sie fault von innen heraus.
    »Wo bist du?«
    Ich schaue auf ein kleines Mädchen. Es ist so schön, aber noch zu jung. Es fühlt sich von der Macht angezogen. Sieh es dir an. Es hört das Lied, hat es schon gelernt. Du aber bist stark, Wanderdrossel von den Blauenten. Du kannst mich vom Zauberer erretten. Hole mich! Mach schnell, der Zauberer erwacht! Die Schale ist zerbrochen. Hole mich… hole…!
    Wanderdrossel setzte sich auf und schaute sich um. Sein Herz schlug wild, und sein ganzer Körper vibrierte. Grünspecht und die anderen Krieger schliefen unruhig, als würden sie von schlimmen Träumen heimgesucht.
    Wanderdrossel stieß Grünspecht an, und der Krieger öffnete sofort die Augen.

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