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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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und anderen Händlern unterwegs gewesen. Sie waren zu den Inseln gerudert, um Tabak, Muscheln und Zuckerrohr einzutauschen. Wäre sie jetzt nur auch so frei wie damals!
    Sie schloß die Augen und fühlte noch die Brise, die das Wasser bewegt hatte und das große Kanu auf Wellenkämme erhoben und in Wellentäler hatte hinabgleiten lassen. Das Wasser war von einem so wunderbaren kräftigen Blau gewesen, daß es den Augen weh getan hatte. Delphine waren neben ihrem Boot geschwommen, bis Blutender Seestern einen jüngeren Fisch harpuniert hatte.
    Was für ein Kampf das gewesen war! Der Fisch hatte klagende Töne ausgestoßen und das Kanu in Todesangst so schnell fortgezogen, daß das Wasser um den Bug herum weiß aufschäumte.
    Als sie schließlich ihre Beute müde gemacht hatten, bedurfte es mehrerer Speerstiche, um den Delphin zu töten. Danach hatte das Wasser blutig geschäumt.
    Und danach wendete sich mein Glück.
    Delphine hatten sich keine mehr gezeigt. Das Wetter war schlechter geworden und der Seegang stärker. Als sie endlich den Sturm überstanden und Land erreicht hatten, waren sie so weit vom Kurs abgekommen, daß sie Wochen brauchten, um das Territorium der Anhinga wieder zu erreichen.
    Blutender Seestern hatte den Weg gekannt und ihr auf dieser Fahrt beigebracht, wie man die Sterne und die Wellenmuster liest. Neben der Freude an diesem Ausflug in neue Länder und zu fremden Menschen war es ihr neuerworbenes Wissen, das diese Fahrt so reich gemacht hatte. Und nur Wochen nach ihrer Rückkehr waren die Khota gekommen.
    Wenn sie zum Himmel hinaufschaute, konnte sie sagen, wie weit nördlich sie waren. Sie beobachtete die Veränderungen der Fixsterne und merkte sich, wie die bekannten Sternbilder nach Süden wanderten. Sollte sie fliehen wollen, könnte sie ohne weiteres den Weg nach Hause finden, ob über Land oder übers Meer. Es wurde jetzt jeden Tag kälter, und mit der Kälte nahm auch ihre Verzweiflung zu.
    Sie beobachtete die Khota, in der Hoffnung, eine Schwäche zu entdecken, die ihr die Flucht ermöglichte.
    Wenn es ihr je gelänge zu fliehen, gelobte sie sich, würde sie nie mehr Delphinfleisch essen.
    Sie hörte ein Ächzen und ein verlegenes Lachen und drehte sich um. Der Krieger, den sie Faulmaul nannten - seine Zähne waren alle ausgefallen -, hatte seinen nackten Hintern über den Kanurand gehängt. Den ganzen Morgen hatte er sich schon übergeben, und jetzt ging es unten los.
    Perle schaute zu einem der anderen Kanus. Großer Zeh und Weißes Eichhörnchen schien es auch nicht gutzugehen. Sie hatten gestern abend das Gleiche gegessen wie Faulmaul.
    Perle seufzte.
    Ich will nie wieder Delphinfleisch essen - und wenn Faulmaul und seine Freunde Bescheid wüßten, dann würden sie auch nie wieder Hundstod essen.
    In Muschelschales Hütte flackerte das Feuer. Die alte Frau, die einst Abendstern genannt wurde, betrachtete den Packen aus schön gewirktem Stoff, der neben den Decken des Zauberers lag. Sie lauschte gespannt, setzte sich dann auf und beobachtete argwöhnisch die Umrisse ihrer schlafenden Gäste.
    Als der alte Hund den Kopf hob, glühten seine Augen im Widerschein des Feuers. Er sah ihr zu, wie sie über die schlafenden Besucher hinwegstieg und zu dem Stoffpacken schritt. Mit den Fingern fuhr sie die Muster der leuchtend gefärbten geometrischen Figuren nach. Entschlossen nahm sie den Packen und ging damit vorsichtig zum Feuer. Sie hörte nicht, wie der alte Hund winselte. Abgewandt, mit angelegten Ohren, rollte er sich zu einer Kugel zusammen, als wollte er sich vor einem kommenden Unwetter schützen. Voller Abwehr blickte der Hund auf die alte Frau und knurrte.
    Doch Muschelschale ließ sich nicht beeindrucken und löste die Schnüre. Neugierig schlug sie den Stoff auseinander und entfaltete das weiche Wolfsfell, um zu sehen, was es verbarg…
    Sternmuschel lag auf der Seite, eingehüllt in ihre dicken Decken, und schrie laut auf, von Alpträumen gejagt.
    In ihrem Traum stand Sternmuschel auf einem wüsten, windumbrausten Felsplateau. Über ihr wälzten sich schwarze Wolken über einem aufgewühlten Himmel. Der Wind peitschte ihren nackten Körper, scharfe Sandkörner stachen auf sie ein. Sie stolperte über spitze Steine, die sich schmerzhaft in ihre bloßen Füße bohrten, und sie krümmte sich in dem vergeblichen Versuch, ihre zarte Haut zu schützen.
    Der Wind heulte über der aufgerissenen Erde mit Stimmen, die kein menschliches Wesen kannte; wilde Blitze erhellten die unheimliche

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