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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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unschuldig und lieb aus. Ihr Gesicht war entspannt, der Mund stand leicht offen, die Augen waren geschlossen, und an den langen Wimpern hingen silbergraue Nebeltröpfchen.
    »Sie schläft tief«, sagte Langer Mann.
    »Sie sollte nicht hier sein. Mein kleines Mädchen sollte lieber mit Freundinnen spielen, sollte Puppen basteln.« Sternmuschel lehnte erschöpft den Kopf zurück. »Was ist geschehen, was hat das alles zunichte gemacht?«
    »Dein Mann.« Langer Mann hob herausfordernd den Kopf. »Vielleicht der Großvater deines Mannes oder der letzte Langschädel, der die Maske trug. Das Übel könnte sogar bis zu dem Mann zurückgehen, der sie gefertigt hat.
    Ich weiß nicht, Sternmuschel. Wenn ein Mann in einem Fluß ertrinkt, wann wurde das Wasser zu tief zum Schwimmen? Lag es an dem Regentropfen auf dem Gipfel des Bergs? An dem Hochwasser auf dem Weg zum Bach? Du kannst das Wasser bis zum Salzwasser erforschen, der Mann bleibt ertrunken.«
    Sie hob einen Stock auf, um auf dem Boden des Unterstands zu kratzen. Angekohlte Knochenstücke erinnerten an die Mahlzeiten früherer Bewohner. Ihre Rückenmuskeln hatten sich verkrampft. »Ich möchte daß es endlich vorbei ist, Langer Mann. Fast zwei Monde laufen wir schon davon. Ich bin müde und verzweifelt.«
    »Ich weiß, kleine Sternmuschel, aber es wäre zu gefährlich gewesen, einfach nur nach Norden zu gehen. Wanderdrossel hätte uns aufgespürt. Deine Tochter wäre mit dir zugrunde gegangen. Glaubst du, in Sternhimmelstadt hätten sie Krieger zusammengerufen, um eine Frau zu retten, die in Schwierigkeiten geraten ist?«
    »Nein.« Nicht einmal ihr geliebter Vater hätte es gewagt, eine solche Torheit vorzuschlagen.
    »Und wie wäre es dann gekommen? Deine Tochter und du, ihr wäret tot, und Wanderdrossel würde die Maske tragen.«
    Sie brauchte sich nicht auszumalen, wie Wanderdrossel sie oder Silberwasser behandelt hätte.
    Sie seufzte, als sie daran dachte, was Grüßt die Sonne ihr angeboten hatte. Von allen Fallen, die die Maske stellen konnte, war diejenige, die Glück, Sicherheit und Liebe verhieß, die hinterhältigste gewesen. Der Friede in seinen ehrlichen Augen, die warme Stärke seines Körpers, der sich mit ihrem vereinigt hatte…
    Hätte mich seine Liebe so geblendet, daß ich nicht gesehen hätte, wie die Maske Gewalt über meine Tochter gewann?
    »Eines Tages«, versprach Langer Mann, »wenn du auf alles zurückblickst, werden die Lehren bittersüß sein, aber nicht vergeblich. Diese Tage, Sternmuschel, sind die wunderbarsten deines Lebens.«
    »Wenn das ein Scherz sein sollte, kann ich nicht darüber lachen.«
    »Ich meine es ernst.« Er rieb sich die kleinen Hände, weil ihm kalt war. »Du sprühst doch vor Leben. Dieses Abenteuer wird das aufregendste und wichtigste deines Lebens. Egal, wohin du gehst, du wirst immer mit Ehrfurcht und Freude an diese Tage denken.«
    »Ich habe Angst, Langer Mann, bin müde, hungrig und hoffnungslos.«
    »Das stimmt. Doch vor allem bist du heldenhaft. Was du für eine einmalige Gelegenheit bekommen hast.«
    »Ich würde sie eintauschen.« Und ich hätte es getan… für einen jungen Mann und einen Traum vom Glück.
    Sie schaute ihn aus den Augenwinkeln an und fragte: »Wie steht es mit dir? Ist dies auch deine einmalige Gelegenheit?«
    Traurig schüttelte er den Kopf. »Nein, ich bin ein Narr. Ich dachte, ich könnte ein Abkommen treffen, Friede im Leben nach dem Tod erhandeln. Dafür bat mich Erster Mann, die Menschen vor dem bösen Einfluß der Maske zu bewahren. Dann aber machte ich mich auf, um die schöne Sternmuschel zu retten und dem Unwürdigen die Maske zu entreißen.«
    Der Regen war noch stärker geworden. Wolkenfetzen schwebten wie Girlanden durch den Wald.
    »Meine Schwächen sind immer Eitelkeit, Überheblichkeit und Stolz gewesen. Ein Zwerg zu sein, ist ein großes Privileg. Einem Zwerg werden alle Wünsche erfüllt. Frauen kommen in Scharen zu ihm, Glück und Segen von ihm erhoffend. Wenn er Schmuckstücke, Häuser oder Felder bewundert, bekommt er sie von den Besitzern geschenkt. Alle achten ihn. Was könnte nützlicher sein, als einem magischen Zwerg ein Geschenk zu machen?«
    »Das hört sich verbittert an.«
    »Ich bin verbittert. Ich habe die Illusion vorbeiziehen sehen wie Wolken vor der Mittagssonne. Ich bin nichts! Nichts! Ein Parasit und überheblich dazu.«
    »Nichts von alldem würde geschehen, wenn du nicht wärst.« Sternmuschel streckte die Hand aus und nahm seine. »Du weißt immer,

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