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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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fünfzehn breit. Matten aus Rohrkolben teilten ihn in drei Zimmer; ein schwerer Stoff hing vor der sich nach Süden öffnenden Tür und hielt die Stürme ab.
    Otter blieb kurz stehen und wünschte, er könnte sich einfach wegschleichen und sich seinem Schmerz hingeben. Wenn er doch nur etwas Zeit hätte, um über Rote Mokassins und Viertöter nachzudenken; um über sich nachzudenken.
    Seine Fähigkeit, die Dinge praktisch zu sehen, könnte ihm vielleicht helfen, das immer schmerzlicher werdende Gefühl des Verlustes wegzudrängen. Er könnte sein Leben neu ordnen, so wie der Schamane vor der Zeremonie die Knochen ordnet. Er könnte die Harmonie seiner Seele zurückgewinnen. Resigniert beugte Otter den Rücken, um einzutreten.

4. KAPITEL
    Aus der Höhe, in der ich schwebe, sehe ich auf ein grünes Land, das von unglaublich blauem Wasser begrenzt wird. Ein weißer Strand, an dem die Wellen sanft auslaufen, erstreckt sich im Westen bis zum Horizont. Herrlich flaumige Wolkenhaufen, von der Flammenscheibe der hochstehenden Sonne bestrahlt, ziehen am Himmel dahin.
    »Dort!« ruft die Stimme. »Gleich am Ufer - siehst du es, Grüne Spinne?«
    Ich schlage mit meinen Rabenflügeln und stürze hinab wie ein Jagdfalke, bis ich das Kanu ausmachen kann, ein wunderbares Boot mit einem Tuchskopf am Bug, der aus dem Wasser ragt. Drei Männer und eine Frau paddeln in dem Kanu.
    »Das sind meine Leute!« rufe ich entzückt.
    »So ist es! Und wenn du nach Osten schaust, über das Land …«
    Ich fliege in einem leichten Bogen, entferne mich von dem großen See und überfliege hoch oben endlose Wälder, den wogenden Baldachin ihres Blattwerks.
    »Ich sehe sie«, antworte ich, »ich sehe die Frau und ihre Tochter. Und da ist auch der Sack auf ihrem Rücken, so wie du gesagt hast, Bunte Krähe. Ja, endlich verstehe ich es. Jetzt kenne ich den Weg und kann…«
    Fest zupackende Hände reißen mich aus dem Nichts. Finger massieren meine Muskeln, pressend und stechend. Ich rieche den Duft von Hickoryöl.
    Voller Entsetzen fliege ich durch die Luft, drehe mich im Kreis.
    »Wer seid ihr?« stoße ich hervor. Aber die Hände greifen mich, unterbrechen meine Himmelsreise und stoßen mich hinab wie einen glühenden Meteoriten.
    Von irgendwo tief unten höre ich die schwachen Stimmen von Menschen, die mir bekannt sind.
    »… Zeit, ihn ins Grab zu legen. Armer Junge. Warum mußte er so jung sterben?«
    Ich rieche Feuer, ich höre mein Volk die Totenklage singen…
    Die Heilige Straße verlief von Sternhimmelstadt nach Süden bis ins Mondmuscheltal. Der Sage nach war sie zuerst ein Pfad der Händler der Langschädel gewesen. Er führte durch das Flughörnchental hinauf zur Wasserscheide und wand sich dann zwischen bewaldeten Anhöhen hindurch, bevor er an einem der Bäche entlang zum Mondmuscheltal gelangte.
    Im Laufe der Jahre hatten die Langschädel wegen des wachsenden Handels mit exotischen Gütern die Straße verbessert. Die Strecke war zu Fuß schneller zu bewältigen, als eine Kanufahrt vom Flughörnchenfluß zum Schlangenfluß und dann flußabwärts zur Mündung des Mondmuschelflusses und zurück dauerte.
    Vor Generationen waren die Völker der Plattformpfeifen von ihren angestammten Gebieten in den Bergen ausgewandert und hatten von den Langschädeln die Errichtung von Erdhügeln und die Beschäftigung mit den Sternen übernommen. Als junges Volk mit großer Lebenskraft hatten sie vielleicht das, was die Langschädel sie lehrten, verbessern können. Möglicherweise kam die Idee zu den riesigen Monumenten aber auch aus den Geheimgesellschaften, deren Mitglieder aus allen Clans stammten. In diesen Gesellschaften studierten die Ältesten die Bahnen der Sterne, das Wesen der Pflanzen und Tiere und die verschiedenen Künste.
    Einen jungen Menschen bewogen sein Wunschbild und seine Veranlagung, sich um die Aufnahme in eine der Gesellschaften zu bewerben. Nach vielen Lehrjahren, in denen sie die Rituale von den Ältesten lernten und sich zu eigen machten, hatten die Jungen die Lebens- und Denkweise der Meister verinnerlicht.
    Die Gesellschaft der Weber lehrte alles Wissenswerte über den Webstuhl, die Gewebe und Färbetechniken. Die Gesellschaft der Töpfer zeigte, wie und wo man Ton fand, die richtigen Zusätze beimischte, Muster einritzte, das Material bemalte und brannte. Steinmetze lernten Bohren, Behauen und Polieren.
    Die kleine Gesellschaft der Heiler gab ihren Mitgliedern die Kenntnis über die Kräfte der Pflanzen, Farben und Riten

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