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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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spielerisch und leichtsinnig dahinleben. Aber Frauen haben Pflichten ihrem Volk gegenüber, sie sind die Bewahrerinnen. Dazu hat uns der Geheimnisvolle bestimmt, als er die Welt gemacht hat.«
    Mit ihrer welken Hand hatte sie Perle weggescheucht. »Ich habe gesprochen.«
    Als Perle gehen wollte, betastete Großmutter geistesabwesend das neue Kupferarmband an ihrem Handgelenk. Eine wunderschön geschnitzte Kultpfeife lag neben dem Feuer bei Großmutters Sachen, die man ihr nach ihrem und Großvaters Tod ins Hügelgrab legen würde.
    Da war in Perle die Wut aufgeflammt, und sie glimmte noch immer wie glühende Kohle.
    Sie starrte auf den braunen Fluß und fragte sich: Wäre ich denn anders gewesen? Hätte ich nicht auch exotische Dinge auf meiner Reise ins Land der Ahnen mitnehmen wollen?
    Nach zweimal zehn Tagen, als alle Waren, Hochzeitsgeschenke und Vorräte zusammengekommen waren, hatte sie mit Würde im Kanu Platz genommen.
    Mit leeren Augen sah sie das Ufer vorbeigleiten und starrte auf die riesigen Eichen, die sich majestätisch zum Himmel erhoben.
    Otter stand im Regen und sah zu, wie seine Großmutter, Gelbes Schilfrohr, den Pfad zum Clanhaus hinaufhumpelte. Die alte Frau hing am Arm von Blaue Kanne und setzte auf dem glitschigen Boden vorsichtig einen Fuß vor den anderen.
    Zusammen mit fünf seiner Vettern gelang es Otter, das schwere Handelskanu aufs Ufer zu ziehen und es umzudrehen.
    Immer noch fiel der eiskalte Regen in Strömen vom Himmel, als das letzte Kanu des Weißmuschelclans gerade unterhalb von Otters Boot angelegt hatte. Seine Vettern winkten von dort, wo sie ihr Kanu auf den Strand gezogen hatten, und eilten zum Anwesen des Clans hinauf.
    »Auf in die Wärme!« rief Eichelhäher und schlang die muskulösen Arme um den nassen Umhang; seine vollen Lippen waren nur noch ein dünner Strich, wodurch sein breites Gesicht merkwürdig flach wirkte.
    »Na los!« Otter deutete auf den Pfad, der hinaufführte. Mit der Hand schirmte er die Augen gegen den Regen ab und sah, daß Großmutter und Mutter bereits oben angelangt waren.
    Otter zögerte. Er strich mit den Fingern über Wellentänzers Bug. Dort war zuviel Moos. Kein Wunder, daß das Boot auf der Fahrt von den Alligatordörfern so schwerfällig geworden war.
    Zärtlich streichelte Otter den sich verjüngenden Bug. Es war sein Herzenswunsch gewesen, ein großes Handelskanu zu bauen. Mit seinem Onkel hatte er einen ganzen Sommer die Wälder nach geeigneten Sumpfzypressen abgesucht. Deren Holz war lange haltbar, widerstand der Fäulnis und splitterte nicht.
    Ein gut gebautes Kanu aus dem Kernholz würde, wenn man es pflegte, das Leben eines Mannes überdauern.
    Als sie den richtigen Baum gefunden hatten, hatte Otter die passenden Gebete gesprochen und begonnen, diesen Sumpfriesen unter großen Mühen zu fällen. Zunächst kerbte er den Baum mit einer Stielaxt, um die graue Rinde abzuhacken und das Holz freizulegen. Dann versengte er die gekerbten Stellen, bis sich die Flammen tief ins grüne Holz fraßen. Spät im Herbst kam er zurück; da war der Baumriese tot und teilweise ausgetrocknet. Er versengte den Fuß des Baums und hackte tagelang auf ihn ein, wie ein Biber. Als der Baum endlich donnernd niederkrachte, brüllte Otter laut und sprang jubelnd hoch.
    Dann mußte er die Äste des Baums entfernen und ihn entrinden. Später zog er mit Hilfe seiner Verwandten den Stamm paddelnd aus dem sumpfigen Gewässer in den Flußkanal und von dort auf Weißmuschelgebiet. Den Herbst, Winter und Frühling hindurch arbeitete er daran, mit Feuer, Steinäxten und Feuersteinbeilen den Einbaum auszuhöhlen und den Rumpf zu behauen.
    Unter seinen Händen verschlankte sich das Boot, wurde zu einer Art übergroßem Hornhecht. Es wurde glatt, beweglich und schnell. In die Bugspitze schnitzte Otter einen Fuchskopf, damit das Kanu schon von weitem Schwierigkeiten erspähen und sie umgehen konnte. Um den Rumpf zu glätten, benutzte er Blöcke grobkörnigen Sandsteins. Mit gespannten Schnüren als Führungslinien erreichte er, daß die Rumpfkanten vollkommen gerade verliefen. Was die Form betraf, hörte er auf seinen Onkel. Und das schwere Kanu schoß plan durchs Wasser, wenn zehn kräftige Männer gegen die Strömung paddelten.
    Oberhalb der Wasserlinie hatte er die Totems des Clans eingeschnitzt: die Gesichter der Vorfahren und Bilder der Geisttiere wie Bunte Krähe, Spinne, Wasserschlange und Schnappschildkröte. Er bemalte sie in den leuchtendsten Farben. Nach jedem neuen

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