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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Arbeitsabschnitt goß er, dem Ritual folgend, Flußwasser über das Holz. So sollte sich die Kraft von Vater Wasser zusammen mit seinem Schweiß und seinem Blut in der Maserung festsaugen. Seine Seele hatte sich mit der Seele des Holzes verbunden. Er fühlte, wie die geistige Urform des Kanus, die sich unter seinen Händen entwickelte, Gestalt annahm.
    Als es fertig war, hatte es mattglänzend und schlank am Strand gelegen, breit genug, daß zwei kräftige Männer nebeneinander sitzen und lang genug, daß vier Männer hintereinander darin liegen konnten.
    Was fünfzehn starke Männer gerade noch zu tragen vermochten, nahm es leicht als Ladung auf.
    Schließlich hatte er sein Kanu Wellentänzer genannt.
    Der Regen rann Otter übers Gesicht; er streichelte das polierte Holz. Hätte er Wellentänzer nicht so sehr geliebt, hätte ihn Rote Mokassins vielleicht mehr geliebt. Doch wenn sie nur einmal die Herrlichkeit des Flusses erlebt hätte, wäre sie vielleicht auch dazu gekommen, Wellentänzer und Vater Wasser ebenso zu lieben wie er.
    Mit kritischem Blick schaute er sich den Kiel an, eine Eichenlatte, auf der Längsachse des Rumpfes mit Pflöcken befestigt, die nach dem Aufquellen ganz fest saßen. Diese Technik hatte er von den Salzwasserhändlern gelernt, die Tabak, bunte Federn und andere Güter aus dem Süden brachten. Mit einem solchen Kiel war das Kanu nicht so anfällig gegen den Wind und hielt den Kurs besser.
    Andererseits wurde es damit schwieriger, gegen die Strömung anzukommen, was in schnell fließenden Gewässern oft fatal war.
    »Morgen kümmern wir uns um das Moos, Wellentänzer. Wir brechen bald wieder auf, mein Freund.«
    Er blickte das Ufer entlang. »Nach Norden. Wir bringen Muscheln und Federn flußaufwärts. Vielleicht entdecken wir diesmal mehr Kupfer - oder Silber. Im Süden sind Panflöten begehrt. Sie wiegen nicht viel und bringen uns das Mehrfache ihres Gewichts an Muschelschalen, Tabak und Haifischzähnen ein.«
    Er gab dem spitzen Bug einen letzten liebevollen Klaps und nahm den schlammigen Pfad, der nach oben führte.
    Der Weißmuschelclan hatte sein Clanhaus auf die hohe Terrasse gebaut, von der aus man Vater Wasser überblickte. Nach der Legende hatte Alter Weißmuschelmann sein Volk aus dem Osten hergeführt. Und an diesem Ort erschien Bunte Krähe dem Ältesten in seinen Träumen. Weißmuschelmann, ein tapferer Krieger und gläubiges Mitglied der Sternengesellschaft, befahl seinen Töchtern, ihn in einem Grab zu beerdigen und es mit Erde aufzufüllen, so wie Bunte Krähe es verlangt hatte. Seit jener Zeit waren noch zwei Lagen Erde auf das Hügelgrab gehäuft worden, als Großmutter und Mutter von Gelbes Schilfrohr sowie ihre Brüder hier begraben wurden.
    Der schräg fallende Regen umhüllte den Hügel mit einer melancholischen Stimmung.
    Jenseits der Besitzungen des Clans erstreckten sich Felder, noch im Bann des Winters, aus denen vergilbte und abgebrochene Stengel von Knöterich und Gänsefuß aus dem letzten Jahr hervorragten.
    Fast ein Drittel der Felder war mit Unkraut und Gräsern überwachsen. Diese brachliegenden Ackerflächen würde man nach der nächsten Trockenperiode abbrennen und dann aufhacken, um Sonnenblumen, Fuchsschwanz, Flaschenkürbis und Kürbis anzubauen.
    Die Leute des Weißmuschelclans wohnten verteilt über ihr ganzes Territorium in einzeln stehenden Häusern. Jeder kleine Hof bestellte seine Felder und sammelte, mit Genehmigung der Ältesten, was der Wald, der dem Clans gehörte, zu bieten hatte. In der Erde wurden große Vorratsmieten angelegt und mit Gras eingefaßt; Borkenmulch hielt sie trocken.
    Im Überschwemmungsgebiet der Zuflüsse war flußauf- wie flußabwärts ebenfalls Land urbar gemacht worden. Hier wurden Hundskamille, Tabak und Zwerggerste angebaut. In ausgewählten Marschgebieten wuchsen Schilfrohr und Rohrkolben. Das Schilfrohr lieferte Speerschäfte, Bodenbeläge und Bohrerstiele, die Rohrkolbenwurzeln wurden gegessen, und aus den Blättern flocht man Matten. Hickoryholz, Eicheln, Walnüsse, wilde Trauben und anderes lieferten die Wälder.
    Um den Hügel waren nur die für die Gemeinschaft wichtigen Bauten entstanden: das Clanhaus, ein längliches Gebäude mit schilfgedecktem Bogendach, ein gerade leerstehendes Leichenblockhaus mit einem Dach aus Rinden- und Rohrmatten und mehrere Vorratshäuser, darunter auch das, in dem Otter seine Handelsware lagerte. Im weiteren Umkreis standen Familienhäuser, wo man sich während der Zeremonien

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