Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Scheu, die in ihren Stimmen schwang, wurde es Tauchvogel ganz übel. Schließlich gingen auch sie.
Tauchvogel sah ihnen nach, die bunten Decken auf ihren Schultern wippten im Wind. Je weiter sie sich entfernten, umso lebhafter, ja erregter wurde ihre Unterhaltung, aus der hervorging, wie sehr sie sich danach sehnten, dass die Blitzvögel endlich herabstürzten, um sie aus dieser schlimmen Welt fortzutragen in eine bessere, jenseits der Sterne.
Verrückte. Jeder Einzelne von ihnen.
Kupferkopf holte tief Luft und wandte sich wieder Tauchvogel zu. Er kniete sich neben den südöstlichen Pfosten und stützte die Unterarme auf die Schenkel. Er hatte den Blick niedergeschlagen und betrachtete stirnrunzelnd und gedankenvoll den weißen Sand, der um seine Sandalen herumtanzte.
Das Geräusch der Sandkörner, die leise über die Matten zischten, verband sich mit dem Klicken der Stacheln auf seinem Gewand, dem Wellenrauschen und dem Rascheln des Windes zu einer gedämpften Musik.
»Warum tust du mir das an?«
Kupferkopf schaute auf. »Das Weltende ist nahe, Tauchvogel. Eine Frage von Tagen. Das ist alles.«
Er blickte mit zusammengekniffenen Augen zum Himmel. »Dieser Sturm ist der Anfang. Die Furie des Sturms reinigt die Welt für die Ankunft von Sturmbläser, sie macht ihm den Weg frei.«
Tauchvogel schloss die Augen.
»Die Sturmvögel kommen. Auch dich werden sie retten, vorausgesetzt, dass -«
»Hast du nicht gesagt, der Sturmbläser werde alle Lichter auslöschen, einschließlich der Blitzvögel?«
»Das wird er. Aber erst, wenn meine Anhänger heil in der neuen Welt angekommen sind. Dann wird der Sturmbläser diese alte Welt ganz und gar verschlingen.«
»Ich verstehe.« Tauchvogel öffnete die Augen wieder. Kupferkopf starrte zu ihm auf. »Aber ich habe kein Verlangen, mit dir und deinen Anhängern in die neue Welt zu kommen, Kupferkopf. Ich kann mir nichts Grausigeres vorstellen, als eine Ewigkeit lang mit solchen Narren zusammen zu sein.«
Kupferkopf kam langsam auf die Beine und stellte sich ganz nah vor Tauchvogel, nur eine Handbreit von ihm entfernt. Die Augen glichen winterlichen Seen im hohen Norden - kalt und glasartig vereist.
Er schien die blutigen Male auf Tauchvogels Wangen zu betrachten. Sein Gesicht war ausdruckslos.
Dann weitete sich der Mund ein wenig, aber man konnte es kein Lächeln nennen.
Er berührte die Liane über Tauchvogels Stirn. Tauchvogel zuckte zusammen, denn die tief eingedrungenen Stacheln taten sehr weh, behielt aber Kupferkopf im Auge.
Der Schein der Morgenröte streifte über Kupferkopfs Hände, als er Tauchvogels Kopf in beide Hände nahm und fest zudrückte, um die Stacheln noch tiefer in die Haut zu treiben. Tauchvogel biss sich auf die Zähne, um seinen Schrei zu ersticken.
»Ja«, flüsterte Kupferkopf und sah Tauchvogel tief in die Augen. »Sie kommt.«
»Wer?«
»Unsere Geliebte. In deinen Augen sehe ich ihre Seele durch die Wälder näher kommen.« Kupferkopf richtete sich hoch auf. »Und sie hat den Blitzjünger dabei. Genauso wie ich es vorausgesehen habe.«
Er ließ die Hände fallen und ging aus der Hütte.
Tauchvogel brüllte: »Warte! Kupferkopf, schneid mich hier ab! Was hat das für einen Zweck?
Kupferkopf!«
Aber der Mann schritt ungerührt weiter und wich keine Handbreit von dem Weg zum Dorf ab.
Tauchvogel sah, wie Kupferkopf seine Hütte betrat und die Schildpattpuppe aufnahm, auf deren weißem Leib die zarten Strahlen der Morgenröte glühten.
Lavendelfarbenes Licht, Künder der Morgendämmerung, durchdrang den dichten Nebel, aber Mondschnecke achtete nicht darauf. Sie und die anderen Mitglieder des Rates der Geistältesten waren schon länger als eine Zeithand auf, in eine Debatte vertieft. Schwemmstock saß zu ihrer Linken, die verkrümmten alten Hände zum wärmenden Feuer ausgestreckt. Die Hakennase und das schüttere Haar schimmerten durch den Dunst. Auf der anderen Seite des Feuers, Mondschnecke gegenüber, saß Schwanzfeder neben Rotalge. Das dreieckige Gesicht des Befehlshabers mit der flachen Nase war wie aus Holz geschnitzt und zeigte trotz der aufregenden Diskussion keinerlei Regung. Rotalge hatte den Kopf gesenkt, wie es sich gehörte. Sie war nur deshalb anwesend, weil sie hier schlief, hatte aber keine Stimme in der Versammlung. Zur Rechten von Mondschnecke kauerte Flussstein zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sonnenfalke unter einer Decke. Wegen ihres sehr hohen Alters - achtmal zehn Sommer - rief sie Mondschnecke nur selten
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