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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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außer sich seinem Gram hinzugeben. So sehr hatte er sich in die Erinnerungen an das fröhliche Lachen seines Sohns und an die Liebe in dessen Augen vertieft, dass es ihm gar nicht in den Sinn gekommen war, Muschelweiß könnte ähnlichen Erinnerungen nachhängen, genauso verzweifelt wie er.
    Er bog ebenfalls nach links ab und stapfte über den palmwedelüberhangenen Pfad. Die Wedel peitschten über seine nackten Beine. Aus dem Wald heraus stürmte er auf eine Lichtung, wo ein kleiner Teich grünlich in der Nachmittagssonne glitzerte. Die Schatten der schwankenden Eichenäste strichen über die Oberfläche; Seerosen schwammen an den Rändern, und zarte Schösslinge von Schilf umgaben das Gewässer. Muschelweiß stand mitten im Teich und weinte an der Brust von Riedgras - ein leises, jammervolles Weinen. Sein kleiner Kopf hing schlaff über ihrem Arm, der Mund stand halb offen. Die Schildpattpuppe lag im Kragen seines Gewandes.
    Kupferkopf hielt an, keuchend. Sie drehte sich um und sah Kupferkopf mit leeren Augen an, als wäre er ein Fremder. Langsam trat er vor, die Sandalen geräuschlos im nassen Gras. »Muschelweiß, komm nach Hause. Bring Riedgras heim.«
    Sie rieb ihre Wange an der von Riedgras. »Nein. Ich muss ihn bestatten.«
    Kupferkopf ging zum Rand. »In einem Teich? Aber Riedgras sollte zum Land des Tagesanbruchs gehen, nicht -«
    »Ich werde zum Dorf der Verwundeten Seelen gehen, Kupferkopf. So wie du. Ich will, dass Riedgras dort ist, wenn auch ich dorthin komme. Ich muss ihn wieder sehen. Ich muss ihn unbedingt wieder sehen.«
    Das Herz wurde ihm schwer. »Er ist ja nicht von uns gegangen, Muschelweiß. Noch nicht. Bring doch unseren Sohn nach Hause. Wir werden schon etwas finden, um ihn aufzuwecken. Das verspreche ich dir. Wir finden schon etwas.«
    »Er ist tot«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Sein Körper lebt vielleicht noch, aber seine Seelen haben sich schon entwirrt. Wir müssen ihn bestatten, bevor seine Seelen fliehen und verloren gehen.
    Ich will nicht, dass unser Sohn auf ewig auf der Erde herumirren muss. Allein!« Sie fing wieder an zu schluchzen und umklammerte den kraftlosen Körper von Riedgras. »Er braucht unsere Hilfe, um diese Welt zu verlassen.«
    »Hör mich bitte an«, sagte Kupferkopf sanft und watete in den kühlen Teich. Das Wasser ging ihm bis zu den Knien. Mit jedem Schritt setzte er silberne Ringe in Bewegung. Zärtlich schlang er die Arme um Muschelweiß und zog sie an sich. Sie legte den Kopf an seine Schulter, ihr langes Haar fiel an seiner Seite hinunter wie ein mitternachtsfarbener Seidenvorhang.
    »Es tut mir Leid«, sagte sie schluchzend. »Es tut mir so Leid.«
    Die Qual in ihrer Stimme ließ jeden Muskel in ihm erstarren. Er hielt sie an sich gedrückt, der magere Körper von Riedgras zwischen ihnen. »Es war nicht dein Fehler. Gib dir nicht die Schuld. Viele Kinder im Dorf sind krank. Die bösen Geister wären sowieso in Riedgras eingedrungen. Wir müssen einen Weg finden, sie zu verjagen. Wir wollen Riedgras nach Hause bringen«, flüsterte er. »Wir werden einen Weg finden, um die bösen Geister aus ihm herauszutreiben und seine Seelen wieder zusammenzuflechten.«
    »Wie denn?«
    Er küsste sie aufs Haar und sagte: »Ich weiß nicht. Aber ich werde einen Weg finden. Ganz bestimmt.«
    Der Traum zog vorbei.
    Bilder wirbelten durcheinander, wechselnde Gesichter, beängstigend, so als wäre er in einem riesigen Strudel gefangen und würde in die Tiefe gezogen …
    Sonnenaufgang. Er war die ganze Nacht gelaufen. Wie Perlenglanz fielen die ersten Strahlen des Morgens durch die Bäume und glitzerten auf dem seichten Wasser vor ihm. Eine kalte moosig duftende Brise umwehte den Sumpf. Federweiß humpelte um seine Hütte herum, schüttelte die knochige Faust und knurrte wütend. Haut und Knochen, Lumpen und hervorquellende Augen, mehr war da nicht, und er sah aus, als wäre er zehnmal zehn Sommer alt. Die fleckige Kopfhaut wurde nur noch von ein paar dünnen Strähnen weißen Haares bedeckt, und seine Lippen fielen nach innen in den zahnlosen Mund.
    Kupferkopf blickte umher, um zu sehen, was den alten Mann so ärgerte, aber da waren nur sumpfige Buchten mit vielen Vögeln und drei kleinen Alligatoren, die sich am anderen Ufer sonnten.
    »Flieg weg! Los, weg!« kreischte der Alte in die Luft. »Wie oft muss ich dich noch verjagen?«
    Sein Gesicht war nur noch eine eingefallene Masse von Runzeln, aber als er sich umdrehte, glühten seine schwarzen Augen mit

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