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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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riecht nach Röhricht und Harz. Mein Herz ist schwer. Ich habe meine Decke um Muschelweiß festgesteckt, um sie warm zu halten, und kam zum Schlafen hierher. Die Leuchtleute schimmern in den Lücken aus Indigo zwischen den dunklen überhängenden Ästen. Meine Lider sind wie Gewichte.
    Eine ganze Zeithand habe ich gebraucht, um die Männer, die ich ermordet habe, zum Moor zu ziehen.
    Ich habe sie, das Gesicht nach Norden, in fahlgrünem Wasser bestattet. Ich wusste nicht, welche Gesänge ihr Clan für sie gesungen hätte oder wer ihre Schutzgeister waren, also sang ich das Totenlied vom Kernholz-Clan und bat den Alligator, sie bei ihrer langen Reise zu führen. Ich bete aus ganzem Herzen, dass sie ihren Weg zum Dorf der Verwundeten Seelen finden. Ich bringe es immer noch nicht über mich, dorthin zu blicken, wo sie zu Boden gefallen sind; geronnenes Blut bedeckt den Waldboden, im Sternenlicht schimmernd.
    Ganz leise und weich fange ich an zu singen; ich bitte die Sonnenmutter, Muschelweiß zu helfen. Sie hat sich im Schlaf schwach herumgewälzt und geächzt. Ich weiß nicht, was ich sonst noch für sie tun könnte. Ich habe große Angst. Wenn ich zu müde werde, singe ich die Wörter in meinen Träumen …
    »Sie stirbt! Und du dummer Junge liegst da wie ein gehirnloser Katzenfisch und tust nichts!«
    Erschrocken keuchend, wälze ich mich auf den Rücken. Die Schildpattpuppe sitzt auf dem krummen Eichenast über meinem Kopf. Ihr Gewand ist eher noch zerschlissener als das letzte Mal, es hängt an ihrem knochigen Leib wie ein morsches Gewebe von Fäden. Fast ihr ganzes Haar ist jetzt ausgerissen.
    Da sind noch vier oder fünf Strähnen im Sternenlicht zu sehen, mehr nicht.
    Ich springe auf und taumle durch das Dunkel. Entsetzen hat mich gepackt. »Was meinst du damit, dass sie stirbt? Sie kann nicht sterben.«
    Aber wenn ich niederknie und in das von den Sternen beschienene Gesicht von Muschelweiß blicke, dann erlaubt mir mein Verstand nicht, an etwas anderes zu glauben. Ihr Gesicht hebt sich bleich gegen die Decke ab. Ich ergreife ihr Handgelenk und fühle das schwache Geflatter ihres Herzschlags. Meine Stimme bebt. »Heilige Geister«, flüstere ich. »Was soll ich tun? Sag mir, wie ich sie retten kann.«
    Die Schildpattpuppe rührt sich nicht. »Hab ich schon.«
    »Was? Wann? Hab ich geschlafen?«
    »Ich bin zum Schluss gekommen, dass du immer schläfst, wenn ich dir große Wahrheiten enthülle, Junge. Ich habe dir gesagt, dass du lernen musst, mit der Seele des Blitzvogels zu tanzen. Hast du's je versucht? Nein! Also stirbt sie natürlich.«
    Die Fäuste geballt, so springe ich auf und stehe direkt unter dem Eichenast. Ich kann kaum atmen. Die Schildpattpuppe senkt den Kopf zu mir. »Aber du hast mir nie beigebracht, wie das geht. Wenn du mich nicht lehrst, mit der Seele des Blitzvogels zu tanzen, woher soll ich es dann können? Du erwartest doch nicht, dass ich das von ganz allein weiß?«
    Die Schildpattpuppe hebt leicht ab und schwebt auf mich zu wie ein Löwenzahnsamen in einem warmen Aufwind, und lässt sich auf meiner linken Schulter nieder.
    »Du bist nicht nur hirnlos, auch dein Gedächtnis lässt nach. Ich habe dich alles gelehrt, was du über den Tanz wissen musst. Gib deine Menschenfüße auf, hab ich dir gesagt. Lerne, aufzusteigen und zu blitzen und zu donnern.«
    Ich bin außer mir, meine Augen schwimmen in Tränen. »Wie denn?« frage ich bittend. »Bitte, sag mir doch, wie ich meine Menschenfüße aufgeben kann.«
    »Spring in die Luft, Teichläufer, und springe immer weiter, ohne aufzuhören, bis deine Füße vergessen, wie sich der Boden anfühlt. Du musst dich von der Erde, von Luft und Wasser lösen. Du musst alles loslassen. Und das nächste Mal, wenn das Blitzvogeljunge aufblitzt, dann wirst du fähig sein, seine blendenden Schwanzfedern zu packen und dich in einem betäubenden Donner in die Lüfte zu erheben.«
    »Dauernd springen? In die Luft springen?«
    »Richtig.«
    »Aber wie kann ich dadurch Muschelweiß retten? Das ist doch alles dummes Geschwätz! Und ich verstehe es nicht!«
    brülle ich. »Ich hab nicht mehr viel Zeit, und was du mir bietest, ist dummes Geschwätz!«
    Die Schildpattpuppe fällt in einem Purzelbaum von meiner Schulter und schwebt lässig höher und höher, bis sie einer der Leuchtleute zu sein scheint. »In einem hast du recht«, ruft sie mit ihrer Kleinmädchenstimme. »Du hast nicht mehr viel Zeit.«
    »Komm zurück!« schreie ich. »Du kannst mich nicht allein

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