Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Hand heran, um sie sich anzusehen. Winzige Blasen bedeckten die Haut.
Sie verzog das Gesicht und flüsterte heiser: »Wie ist das geschehen? Bist du ins Feuer gefallen?«
»Nein, mein Weib, ich -«
»Also woher kommt das?« verlangte sie heftig zu wissen.
»Der Blitzvogel. Seine Schwanzfedern waren glühend heiß.« Er wollte ihr seine Hand entziehen, aber das ließ sie nicht zu. Sie blickte weiter stirnrunzelnd auf die Blasen. Teichläufer zog stärker, und schließlich ließ sie los.
Er legte sich die Hände über die Knie. »Erinnerst du dich, mein Weib, dass ich dir gestern Abend die Hände an den Kopf gelegt habe?«
Sie runzelte die Stirn. »Warte. Ja. Richtig. Es tat mir wohl. Wie kühles Wasser, das durch meinen Körper fließt.«
»Ja, aber es war Donner. Ich war selbst zum Donner geworden, Muschelweiß. Und als ich dich berührte, da quoll dieser Donner aus mir heraus und floß in dich hinein.« Staunende Ehrfurcht drückte auf seine Stimme. »Ich konnte es nicht glauben, aber es geschah alles so, wie es die Schildpattpuppe vorausgesagt hatte.«
Sie gab keine Antwort.
Teichläufer biss sich auf die Lippen. »Wie es scheint, glaubst du mir nicht, mein Weib.«
»Teichläufer, ich -«
Was erwartete er? Er hatte ihr so viele unglaubliche Dinge erzählt, und jetzt das! »Die Schildpattpuppe hat mir noch etwas gesagt, Muschelweiß, und das musst du wissen.«
»Was?«
»Sie hat gesagt, dass einer der Leuchtenden Adler tot ist.«
Muschelweiß legte sich eine Hand auf den Magen und drückte, als wolle sie sich eines Schmerzes vergewissern. »Und warum bläst da kein Wind? Der Sturmbläser -«
»Ich weiß es nicht.«
Sie betrachtete ihn wohlwollend und glitt dann wieder auf den Rücken. Geistesabwesend starrte sie in den Himmel.
Teichläufer wartete auf weitere Fragen oder Kommentare. Aber als sie schwieg, erhob er sich. »Es ist wirklich genau so geschehen, Muschelweiß.«
»Ich weiß, dass du das glaubst, Teichläufer. Ich weiß auch, dass du nicht lügst. Ich brauche einfach mehr Zeit, um damit fertig zu werden. Versuche, mich zu verstehen. Ich habe ein paar sehr große Seelentänzer gekannt und von ihnen sehr seltsame Geschichten über die geistige Welt gehört. Aber ich -«
»Du hast sie nicht geglaubt?«
»Nicht immer, zugegeben. Die Macht jagt mir Angst ein, Teichläufer«, sagte sie ganz offen. »Sehr sogar. Ich will davon so wenig wie möglich glauben.«
Er nickte. Er fühlte sich leer und wusste nicht, was er sagen sollte. »Ich werde jetzt die Sonnentaublättersalbe holen, die wird dir die Schmerzen lindern.«
Als er fortging, rief sie ihm nach. »Teichläufer?«
Er drehte sich um.
Im Sonnenlicht glitzerte der Schweiß auf ihrer Stirn. »Was du gesagt hast, ziehe ich nicht in Zweifel!
Ich will, dass du das weißt.«
Er ging weiter, trat gegen Kiefernzapfen und machte sich Gedanken über die Schildpattpuppe und das Geheimnis ihrer geistigen Macht. Wie war sie nur lebendig geworden? Geistige Macht ließ sich nicht einfach durch Worte übertragen. Dazu waren Rituale nötig, und heilige Gesänge mussten gesungen werden. Und zwar von jemandem, der Bescheid wusste. Muschelweiß wusste nicht Bescheid. Und Kupferkopf? Wenn er ein Hexenmeister war, dann ja. Oder war da jemand anders, der Rituale ausführen konnte? Wem hätte Kupferkopf derart vertraut, dass er ihm diesen wertvollen Gegenstand in die Hände gegeben hätte?
Federweiß?
Schauer liefen ihm den Rücken hinunter. War das vielleicht das Geheimnis? Hatte er dem alten Hexenmeister die Schildpattpuppe gebracht und ihn gebeten, ihr Leben einzuhauchen? Aber das würde bedeuten, dass die Puppe bösartig war und von dunkler Macht besessen.
Teichläufer stolperte weiter, zutiefst erschreckt und verwundert.
Sie machte keinen bösartigen Eindruck auf ihn; könnte sie ihn getäuscht haben?
Wenn die Schildpattpuppe das nächste Mal auftauchte, würde er ihr all diese Fragen stellen.
Wer sind sie?« Rotalge schaute auf. »Ich weiß nicht, Häsling.«
»Leute vom Windeck-Clan? Von den Überlebenden?«
»Vielleicht.«
Angst erfasste ihr Herz. Die Leute waren zu weit entfernt, um sie zu erkennen, aber dennoch hielt sie Ausschau nach der hoch gewachsenen, hageren Gestalt von Teichläufer.
Der milchige Glanz der Abenddämmerung sank auf den Strand wie ein Schleier aus Marienfäden, der leicht herabfiel und den weißen Sand in ein funkelndes Gletscherblau tauchte. Die nahende Nacht ließ die Vögel verstummen. Nur das Rauschen der Brandung
Weitere Kostenlose Bücher