Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
empor in diese Sintflut, die da herabkam. Das Wasser wusch ihm das lange Haar aus dem Gesicht und schickte Ausläufer aus, die den Pfad hinunterrutschten wie ein Schwarm fliehender weißer Schlangen.
Muschelweiß stand mit offenem Mund da, als sich die Wolken teilten. Lanzen goldenen Sonnenlichts schössen durch den dunstigen Wald. Bevor ihr Herz zehnmal schlug, hatte sich der Sturm schon in eine reine, leuchtend blaue Schale verwandelt, die sich über ihnen in die Unendlichkeit wölbte.
Teichläufer, schlammverschmiert von Kopf bis Fuß einschließlich der Haare, setzte sich aufrecht hin.
Er drehte sich mit einem Ruck zu Muschelweiß herum. »Ich kann es nicht glauben. Es ist gegangen!«
Sie starrte ihn nur mit offenem Mund an. Er rappelte sich auf und kam zögernd auf sie zu. »Habe ich dir Angst eingejagt?«
»Wie hast du das fertig gebracht?«
Mit breitem Grinsen sagte er: »Ich habe das Blitzvogeljunge einfach gebeten, uns bitte etwas Regen zur Abkühlung zu schicken. Ich musste mich natürlich konzentrieren, damit mich Ried … der Vogel auch bestimmt hörte. Das war alles, Muschelweiß. Und es ist gegangen.«
Ihr Blick glitt zu den versengten Baumhälften. Die Stelle, wo Teichläufer gesessen hatte, war im nassen Boden immer noch vertieft.
Sie wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Ihre Herzschläge dröhnten wie Hammerschläge gegen ihren Schädel. Sie machte einen Bogen um die schwelenden Baumreste und ging im Zickzack zum Pfad zurück, und dabei bemühte sie sich, ihren Puls zu verlangsamen. Kleine glitzernde Teiche füllten jede Mulde aus, die sie weit umging.
Teichläufer folgte ihr so dicht, dass sie seinen Atem im Nacken spürte. Er ging schneller, um an ihre Seite zu kommen. »Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte er.
»Nun ja, du hast etwas zerstört.«
»Zerstört? Was?«
Muschelweiß blieb stehen und schaute ihn finster an. »Ich habe es immer für Zufall gehalten. Ich habe niemals daran geglaubt, dass diese Seelentänzer den Regen herbeirufen könnten. Ich habe immer gedacht, das sei alles nur Schwindel.«
Teichläufer biss sich verlegen auf die Lippen. »Wäre es dir lieber gewesen, daran festzuhalten?«
»Es war nicht so beunruhigend, Teichläufer.«
»Aber ich bitte dich, warum hast du dann verlangt, dass ich den Regen herbeirufen soll?«
»Wahrscheinlich weil ich dachte, du wärst gar nicht in der Lage dazu.«
Teichläufer verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. »Das verstehe ich. Das habe ich ja selbst auch gedacht.«
Muschelweiß blickte auf den Wald. Trotz des Wolkenbruchs stiegen immer noch winzige Rauchwölkchen von den versengten Bäumen empor. Seufzend erwiderte sie: »So viel zu Logik und gesundem Menschenverstand.« Sie ging weiter.
Teichläufer folgte ihr. »Bedauerst du, dass ich es getan habe?« fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Teichläufer.«
»Also geht es dir jetzt besser?«
»Aber nein, natürlich nicht. Jetzt fühle ich mich viel unwohler, und es ist nicht nur mein Körper, der angeschlagen ist.«
»Aber ich habe es für dich getan. Weil du danach verlangt hast. Ich wollte, dass du -«
»Ich weiß, Teichläufer.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Komm nun. Jetzt, da es viel kühler ist, müssten wir das Marschzungenhaff gegen Abend erreichen.«
Er lächelte plötzlich, was sein Gesicht verschönte. »Ja, mein liebes Weib.«
Er stapfte durch das Gestrüpp an ihr vorbei, um ihr so die Palmwedel und Zweige seitlich weghalten zu können.
»Das brauchst du nicht zu machen, Teichläufer.«
»Aber es hilft dir doch, oder? Es macht es dir leichter.« Er sah sie mit großen ängstlichen Augen an.
Sie lächelte. »Ja, das tut es. Vielen Dank. Nur versuche doch bitte, weniger Lärm zu machen, wenn du mir hilfst.«
»O ja, tut mir Leid.«
Die unbarmherzigen Insekten, die unter Grashalmen oder in faulendem Holz wohnten, kamen bei der Hitze alle heraus. Schwärme von Moskitos, Ameisen, Spinnen und Stechmücken befanden sich wieder auf dem Kriegspfad. Die Hände von Schwarzer Regen waren in ständiger Bewegung, schlugen nach allem, was summte, sirrte oder auf ihr zu kriechen wagte, aber ihr rotes Gewand fühlte sich an, als wimmelte es darin vor Leben.
Sie zerdrückte eine Spinne, wischte Ameisen von ihrer Decke, streckte sich vor dem Feuer auf der Seite aus und sah zu, wie Biberpfote sein Abendessen aus Froschschenkeln, Holunderbeeren und Kaktusfeigen beendete. Sie waren an diesem Tag tüchtig marschiert und hatten erst spät ihr
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