Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Bärenfett und rieb damit den frisch geglätteten Abschnitt ein. Dann hielt sie den Schaft über die Glut. Sie musste ihn dauernd hin und her bewegen, damit er nicht anbrannte und beim Aufprall nicht zerbrechen würde. Das erhitzte Hickoryholz wurde so biegsam wie frisch geschnittene Triebe, und auf diese Weise konnte man das Holz gerade richten und zugleich stärken. Das Fett verhinderte das Überhitzen und das Versengen.
»Ich bin Tauchvogel«, sagte er mit vollem Mund, »vom Wespennest-Clan.«
Sie drehte den Speerschaft weiter. »Ich bin Muschelweiß vom Windeck-Clan.« Sie lächelte, und ihre Augen leuchteten.
In diesem Augenblick hielt er sie für die schönste Frau der Welt. Freude breitete sich in seinem Herzen aus, und auch in seinem Magen. Die Hungerkrämpfe ließen endlich nach, und Tauchvogel atmete langsam und befriedigt aus.
Die Frau lächelte, runzelte aber auch die Stirn. »Du hast sicher lange nichts zu essen gehabt?«
»Das stimmt«, antwortete er. Als Erinnerungen an Schmerzen und Folter hochkamen, fügte er hastig hinzu: »Aber jetzt geht es mir gut. Du arbeitest an diesen Speerschäften wie ein Fachmann. Hast du schon viele gemacht?«
»Ja.«
Sie zog den Schaft zurück, hob den Glätter und führte den Schaft durch das gebohrte Loch am Ende des Glätters, den sie über den erhitzten Teil des Schafts hinabbewegte und entsprechend bog, dort, wo der Schaft gerade gerichtet werden musste, und dabei knirschte und kratzte der Knochen. Sie hielt den Speer zur Seite, visierte die Richtung über die ganze Länge und fettete dann einen neuen Abschnitt ein, etwa eine Handbreit, den sie nun erhitzte.
»Und was, Tauchvogel vom Wespennest-Clan, tust du halb verhungert so weit von zu Hause weg?«
Er zuckte die Achsel. »Ich bin ein Forscher. Am liebsten laufe ich nur herum, um zu sehen, was es überall gibt. Und während ich unterwegs bin, treibe ich auch etwas Handel.«
Ihr wunderbares Lächeln blitzte wieder auf, und er konnte nicht anders, er musste einfach zurücklächeln. »Ich verstehe. Du bist jemand ohne Verantwortung. Ein unverheirateter Jüngling, der nirgends kämpfen muss, da es keinen Krieg gibt, und so viele Brüder hat, dass deine Familie es sich leisten kann, dich etwas verrückt herumlaufen zu lassen.«
Er war betroffen. Dann zwinkerte er und brach in Gelächter aus. »Jawohl! Ich bekenne mich schuldig.
In allen Punkten. Mein Großvater hat mir immer vorgeworfen, ich sei faul. Also mit einem Wort - ich bin ein unverantwortlicher, verrückter junger Faulpelz. Aber als Händler sehr gut.«
»Du hast gesagt, dass du etwas Handel treibst. Nur etwas!«
»Das ist richtig.«
»Das heißt, nur wenn du willst.«
»Nun ja«, sagte er achselzuckend. »Handel treiben ist nicht immer ein Vergnügen. Die meisten fühlen sich verpflichtet, einen übers Ohr zu hauen, bei jedem wertvollen Stück, das man erworben hat. Kein Mensch denkt daran, was es einen selber gekostet hat. Diese Wanderungen und das Feilschen sind oft recht unerfreulich. Und deshalb treibe ich jetzt nur Handel, wenn mir der Sinn danach steht.«
Sie schob den Glätter den ganzen langen Schaft entlang und prüfte die Ausrichtung von neuem.
Während sie die zwei Holzklötze vor sich bewegte, sagte sie: »Das heißt, du treibst nur Handel, wenn du sicher bist, dass du deinen Käufer beschwindeln kannst.«
»Oh, also -«
»Ein unverantwortlicher, verrückter, junger, fauler Schwindler.«
Tauchvogel grinste breit. Sie sah ihn zurückhaltend aus den Augenwinkeln an und widmete sich wieder ihrem Schaft. Sie füllte die Hohlkehlen in den Holzklötzen mit feinem Sand, legte den Schaft in die Kehle eines Klotzes und den anderen Klotz darüber und zog den Schaft durch die gesandeten beiden Hälften hindurch, vor und zurück, um ihn vollkommen glatt zu machen. Wenn zu viel Sand an den Enden hinausgestoßen wurde, nahm sie den Schaft zurück, fügte weiteren Sand hinzu und glättete einen neuen Abschnitt des Schafts.
»Du hältst mich also für einen Schwindler?« fragte Tauchvogel.
Sie veränderte ihre Haltung, um ihn anzusehen, und ihre Augen leuchteten sanft. Seltsame Augen - sie zogen ihn machtvoll an, und wenn er in diese Augen sah, war es ihm, als ob stürmische Winde seine Seelen herumstießen. Er spürte Verzweiflung, gerade unter der Oberfläche, kaum verborgen in diesen dunklen Tiefen, und im Innersten sehnte er sich danach, die Wunden zu lindern. Oh, wie leicht fiele es ihm, diese schöne Frau zu lieben …
»Es klingt so,
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