Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
geändert. »Ich bin überzeugt, dass Teichläufer und Muschelweiß in Sicherheit sind. Das müssen sie sein - sonst sind wir alle dem Untergang geweiht.«
Schote und Mondschnecke erschraken. Sie wandten sich zu ihm um, und Stacheljunge sah mit fragendem Blick zu ihm auf.
»Wie meinst du das?« fragte Mondschnecke.
Hundszahn zwängte sich durch sie hindurch und ging an ihnen vorbei. Er erwiderte: »Ich habe einfach eine Todesangst. Die Macht kann oft so wankelmütig sein.«
Eulenfalter schritt um die Lagerstelle herum, um Klarheit zu gewinnen. Der graue Abenddämmerschein machte die Untersuchung schwieriger. Er schob die Palmwedel zur Seite, um unter der Abdeckung der breiten Wedel nach weiteren Fußabdrücken zu suchen. Die weiter auseinander liegenden zehenlastigen Spuren mussten die von Teichläufer sein, und die schleifenden, holpernden waren sicher die seiner Mutter. Oft war er ihr auf Kriegszügen gefolgt und kannte die Größe ihrer Abdrücke und die Muster, die sie in die Sandalensohlen gewoben hatte, ganz genau.
Er zog die Brauen zusammen. Flüsternd sprach er mit sich selbst. »Die beiden Toten, die wir gefunden haben, die haben dich verletzt, Mutter, die haben dich schwerverletzt.«
Seit sie am späten Nachmittag an dieser Lagerstelle angekommen waren, hatte er sich in hohem Maße unwohl gefühlt. Jetzt wusste er, warum: Das Blut war das seiner Mutter gewesen.
Stirnrunzelnd schaute er zurück auf den gefallenen Baumstamm, der die Breite des Wassers überspannte. Kraniche suchten im Flachwasser am Ufer nach Essbarem; ein riesiger Alligator beobachtete sie aus der Schilfdeckung heraus. Bei der Überquerung des Baumstamms hatten sie die Leichen gesehen, die unter der stillen Wasseroberfläche zu ihnen aufgeschaut hatten. Jemand - vermutlich Teichläufer - hatte die toten Männer in den Teich gezerrt, sie auf die linke Seite gelegt, ihre Gesichter nach Norden gedreht, in die Richtung des Dorfs der Verwundeten Seelen. Eine Sammlung von Waffen und Steinwerkzeugen schimmerte neben ihnen. Ja, es musste Teichläufer gewesen sein, der sie bestattet hatte. Kein anderer würde seine Feinde so rücksichtsvoll behandeln.
Der Wind fuhr durch die stöhnenden Äste und sättigte die Luft mit den Düften des Rieds und den flüchtigen Modergerüchen des Herbstes. Eulenfalter atmete tief ein. An den meisten Eichen hingen Moosvorhänge, die bis zur Erde reichten. Im Moos waren lange Strähnen grauen und schwarzen Haares verflochten; er hatte sie zweimal zehn Schritt von Teichläufers Versteck gefunden, im Wurzelloch, wo der gefallene Baum gestanden hatte, und dort hatte er auch Teichläufers Spuren, Handabdrücke und Fäden seiner langen Robe entdeckt.
Eulenfalter ging zu der Stelle zurück, wo seine Mutter gelegen hatte. Der Abdruck ihres kräftigen Körpers war noch sichtbar. Das getrocknete Blut an den Blättern ließ auf eine Kopfverletzung schließen; aber wie schwer diese sein mochte, konnte er nicht sagen. Selbst bei kleineren Verletzungen blutete die Kopfhaut in der Regel ziemlich stark. Doch war es sicher ein wuchtiger Schlag gewesen, der sie zu Boden gestreckt hatte, wenn auch sicher nur für kurze Zeit, da sie ja unterwegs war, um seinen Vater zu befreien.
»Wäre es ihr möglich gewesen, einen Fuß vor den andern zu setzen, wäre sie weitergegangen.«
Zärtlich tastete er über die Vertiefung, und sein Magen zog sich zusammen. »Aber du hast wohl nicht einmal aufstehen können, Mutter.«
Eulenfalter richtete sich auf. Rotalge und Häsling hatten sich getrennt und suchten nach weiteren Zeichen, während er seine Nachforschungen abschloss. Sorge nagte an ihm. In diesen dichten Binnenwäldern wurde es schnell dunkel, und bei dieser Bewölkung würde es nicht mehr lange dauern, bis undurchdringliche Finsternis sie einhüllen würde.
Die Luft kühlte sich ab, und Schauer liefen ihm über den Rücken. Er ging zu der alten Feuerstelle, wo er seinen Beutel aufschnürte und seine Tunika herausnahm. Er streifte sie sich über. Mit dem Zwielicht senkte sich eine seltsame Stille herab. Das Getriller und Gezwitscher der Vögel wurde von den Lauten der Nachttiere abgelöst. Eulen riefen, und der Wind trug das schwache Brüllen eines Alligators in der Ferne heran, dem ein Alligator im nahe gelegenen Teich antwortete. Eulenfalter drehte sich um und beobachtete das große Tier, wie es ans Ufer kletterte und sich im hohen Gras versteckte. Es hatte rot glühende Augen. Überall im Schilf spiegelten die gelben Augen von
Weitere Kostenlose Bücher