Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Teichläufer und Muschelweiß zu finden. Und da habe ich sie weinen hören, das war alles.«
Mit einem Stecken häufte Eulenfalter sorgfältig etwas Glut unter seinen Korb, um dem Dreibein nicht zu nahe zu kommen. »Wo war sie?«
Häsling deutete auf die Südseite des Marschgebiets. »Da hinten bei diesen Teichkolben.«
Eulenfalter nickte. »Kannst du Abendessen machen?«
»Ja. Aber es hat keinen Zweck, ihr nachzugehen, Eulenfalter. Ich kenne sie schon ewig. Wenn sie in dieser Stimmung ist, kannst du nicht mit ihr reden. Du musst sie in Ruhe lassen, damit sie mit sich ins Reine kommt, dann wird sie von selbst wieder vernünftig.«
Eulenfalter lächelte. »Das glaub ich gern. Ich muss es trotzdem versuchen. Bin gleich zurück.«
Häsling murrte, riss den Beutel hoch und ließ den Inhalt zu Boden fallen. Er sortierte die verschiedenfarbigen Stoffsäckchen. Wie Eulenfalter festgestellt hatte, war Häsling auf Organisation versessen. Das rote Säckchen enthielt Dörrfleisch, das grüne eine Sammlung verschiedener Nüsse und das schwarze lange Pemmikan-Würste. An diese Einteilung hielt er sich ganz genau - so als brächte ihm jeder Zuordnungsfehler Unglück. Jeder Krieger, den Eulenfalter kannte, huldigte zumindest einem Aberglauben. Seeigel verließ niemals das Dorf, ohne sich vorher einen Gürtel aus den Haaren seiner Frau um die Hüften zu knoten, und seine Mutter trug immer ein Schlangenstern-Halsband unter ihrer Krieger-Tunika. Er hatte sie noch nie ohne dieses Halsband gesehen. Nicht auf einem Kriegszug.
Er folgte geräuschlos dem schmalen Wildpfad um den westlichen Rand des Marschgebiets herum.
Ochsenfrösche quakten ihr Abendlied, als er vorbeikam, aber die Schildkröten platschten ins Wasser und paddelten davon. Er konnte gerade noch einen Blick auf die schwarzen Buckel ihrer Panzer werfen, als sie im Schein des Feuers durch die sich ausbreitenden Ringe glitten. Die Nacht roch gut nach Moos und brennendem Hickoryholz.
Im Bogen umschritt er das Südende des Marschgebiets, und da sah er Rotalge stehen, von den mannshohen Schilfkolben fast verdeckt, und hörte sie leise weinen.
»Rotalge!« rief er. »Hier ist Eulenfalter. Bist du -«
»Geh weg!« rief sie mit einer Heftigkeit, die er ihr nicht zugetraut hätte.
Eulenfalter blieb kurz stehen und ging dann weiter. Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Drei Schritte hinter ihr hielt er an und verschränkte die Arme. Langes schwarzes Haar, dessen Fülle im Feuerschein schimmerte, fiel ihr über den Rücken und reichte fast bis zum Saum ihres Gewandes. »Ich kann nicht weggehen«, erwiderte er. »Nicht, wenn ich sehe, dass du traurig bist. Was ist los, Rotalge?«
»Eulenfalter, geh bitte weg! Ich möchte nicht darüber sprechen. Mit niemandem. Und besonders nicht mit dir.«
Scham klang in ihrer Stimme. Eulenfalter sah sie von der Seite an. »Was ist denn, Rotalge? Mir kannst du es doch sagen.«
Über die Schulter warf sie ihm einen Blick zu und schluchzte. »Nein, das kann ich nicht. Ich - ich weiß nicht, warum mir das jetzt passiert. Die Sonnenmutter bestraft mich offenbar dafür, dass ich auf dem Kriegspfad bin ohne die Erlaubnis meiner Großmutter. Das muss es sein, Eulenfalter!« Sie wirbelte herum und schüttelte die Fäuste gegen ihn; zwischen ihren Fingern steckten noch Wollbüschel der Rohrkolben. »Großmutter Mondschnecke hat mich an der Lagune der Seekuh erwartet. Sie wird sich jetzt zu Tode ängstigen, und es ist meine Schuld, und die Sonnenmutter lässt ihren Zorn aus -«
»Rotalge …«
Sie verzog das Gesicht, als sie seinem Blick standhielt. Im Glanz des Feuerscheins sah sie atemberaubend schön aus. Die Augen waren voller Tränen. Er schaute wieder auf die Wollbüschel und nickte. Impulsiv ergriff er ihre rechte Faust und drückte sie ermutigend. Dann kreuzte er abermals die Arme über seiner breiten Brust.
Lässig hob er das Kinn und schaute prüfend in den kohlschwarzen Himmel. Er sagte: »Mal sehen; war ich mit Frauenkriegern zehn und ein Mal oder zehn und zwei Mal auf dem Kriegspfad? Auf Kriegszügen will's der Brauch, dass die Teilnehmer kaum Geheimnisse voreinander haben. Nicht, weil sie sich unbedingt alle gern haben, sondern weil das Verhältnis untereinander so natürlich ist, dass es einem kaum in den Sinn kommt, etwas verbergen zu wollen. Und das heißt, ich habe -«
»O Eulenfalter«, brachte sie mühsam heraus, »das ist keine Angelegenheit von Männern. Wäre ich zu Hause -«
»Ja«, unterbrach er sie freundlich, »wärst
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