Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
nicht?«
Mondschnecke packte ihren Stab noch fester. Hinter der Ratshütte jagten vier Kinder einem Weidenreifen nach und wollten sehen, wer von ihnen die meisten Eicheln durch den Reifen werfen konnte, bevor er umfiel. Mondschnecke wartete, bis ihre fröhlichen Stimmen verklungen waren, und fragte dann knurrend: »Was ist das für ein Bündnis?«
Schwarzer Regen wedelte mit der Schnur, die als Gürtel ihrer kurzen Tunika diente; zwei kleine Muschelschalen baumelten an den Enden der Schnur und klickten zusammen. »Zuerst erzähle mir von meinen Kindern. Ich brauche diese Information, denn sie ist für dieses Bündnis von großer Bedeutung.«
»Deine Tochter Rotalge ist der Schrecken des Dorfs. Sie hat gelernt, wie man einen Speer wirft, und sie wirft ihn besser als irgendein Junge aus dem Dorf, und sie kann rennen wie ein -«
»Oh.« Schwarzer Regen winkte ab. »Du erziehst sie sicher, so gut du kannst. Was ist mit Teichläufer?
Wo ist er? Ich hab ihn sofort gesucht, als ich hier angekommen bin.«
Das machte Mondschnecke misstrauisch. Statt ihrer Tochter die Wahrheit zu sagen, erwiderte sie:
»Wahrscheinlich liegt er da draußen im Meer, mit großen Korallenstücken beschwert. Er hört vorbeischwimmenden Fischen gern zu. Er kann einen Schwarm Quakfische, der noch einen Schwimmtag entfernt ist, kommen hören, behauptet er.« Das hätte sogar die Wahrheit sein können, wäre Teichläufer nicht krank gewesen.
»Heilige Sonnenmutter. Warum erlaubst du ihm solche Dummheiten? Er ist zehn und fünf Sommer alt. Er sollte verheiratet sein und schon ein Baby in den Bauch seiner Frau gepflanzt haben, statt herumzurennen wie ein wilder Hund.«
Mondschnecke starrte sie an. »Wenigstens rennt er nicht herum wie ein brünstiger wilder Hund. Was interessierst du dich so für Teichläufer?«
»Er ist mein Sohn. Ich mache mir Gedanken über ihn.« »Du machst dir -? Na, dann interessiert es dich vielleicht, dass der alte Hundszahn ihn vor drei Tagen umbringen wollte. Er ließ ihn auf den Grund des Heiligen Teichs schwimmen, und da war ein Speer -«
Schwarzer Regen kam leichenblass auf sie zu. »Ist er am Leben? Ist alles mit ihm in Ordnung?«
»Er wird wieder gesund«, antwortete Mondschnecke und betrachtete ihre Tochter ernst. »Ich habe ihm einen Myrsinborkenumschlag gemacht und ihm Weidenrindentee gegeben, um das Fieber herunterzudrücken.«
»Den Heiligen Leuchtleuten sei gedankt«, sagte Schwarzer Regen und atmete tief aus. Sie schloss erleichtert die Augen. »Hundszahn ist schon immer verrückt gewesen. Warum hast du Teichläufer erlaubt, ihn zu besuchen?«
»Ich habe ihm nichts erlaubt. Er ist mit Rotalge fortgelaufen. Du weißt ja, wie weit der Teich entfernt ist. Sie sind erst lange nach Einbruch der Dunkelheit zurückgekommen. Ich war außer mir vor Sorge.«
»Hm. Dass er fortläuft, beweist jedenfalls, dass er unabhängig ist. Jagt er? Hat er seinen ersten Bär erlegt? War er schon auf seinem ersten Kriegszug? Ist er ein Mann?«
Mondschnecke runzelte die Stirn. Schwarzer Regen vertiefte sich in den Anblick der Beerenflecken auf ihren Fingern. »Natürlich ist er ein Mann. Schließlich habe ich ihn aufgezogen. Seinen ersten Bären hat er letzten Sommer erlegt. Ich gebe zu, einen Kriegszug hat er noch nicht mitgemacht, aber ich fürchte, das blüht ihm schon recht bald, bei den Banden von Kupferkopf, die unterwegs sind und Dörfer verbrennen.«
»Er ist also kein Krieger.« Schwarzer Regen zog die Brauen zusammen. »Na ja, vielleicht ist das nicht so wichtig.«
Mondschnecke verschob ihr Gewicht auf die linke Hüfte, um die rechte, die ihr wehtat, zu entlasten.
Worauf zielte diese Unterhaltung? Schwarzer Regen hatte noch nie Interesse an ihren Kindern gezeigt.
»Was willst du eigentlich, Schwarzer Regen?«
Schwarzer Regen überhörte die Frage. »Ist er wenigstens groß?«
»Das ist er, und muskulös für sein Alter, wenn auch noch etwas mager. Wenn seine Haut und die Haare nicht so weiß wären, dann könnte sich eine Frau beim Anblick seines Gesichts durchaus vergessen. Willst du mich vielleicht auch noch über Rotalge ausfragen?«
Schwarzer Regen war nicht sehr angetan von diesem Themenwechsel. »Nun gut, erzähl mir was von ihr, wenn du willst.«
Mondschneckes Stimme wurde eisig. »Ich verstehe. Du bist nur an Teichläufer interessiert. Und warum?«
Schwarzer Regen setzte sich anmutig hin, lehnte sich zurück und stützte ihre Handflächen auf der Matte auf. Sie sah wie eine schöne Katze aus, die
Weitere Kostenlose Bücher