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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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die aufgerissenen Lippen. »Was geschieht jetzt?«
    Kupferkopf zog die Puppe zurück und drückte sie an sein Herz, wie ein geliebtes Kind. Seine Blicke aus kalten leeren Augen wanderten zu Tauchvogel. »Ich stelle fest, dass du stark genug bist, Tauchvogel«, sagte er. »Stark genug wofür?«
    Kupferkopf lächelte nicht. Sein schönes Gesicht schien zu Stein erstarrt. »Maulbeere! Schüre das Feuer! Wir brauchen viel Glut.«
    »Was wirst du tun?« fragte Tauchvogel. Kupferkopf stützte sein Kinn auf den Kopf der Puppe; er blickte abwesend ins Leere. »Weißt du, Tauchvogel, ich habe mich mein Leben lang bemüht, die Bedeutung des Schmerzes zu verstehen. Ich meine - warum ist der Schmerz ganz offenbar unser ständiger Begleiter, unser Leben lang? Warum wird das Blut Unschuldiger so oft vergossen - ohne jeden Grund?«
    Tauchvogel schluckte schwer.
    Kupferkopf sagte: »Ich werde jetzt dafür sorgen, dass du eine Weile über den Schmerz nachdenkst.
    Wir wollen sehen, ob du hinterher auch einen anderen Begriff vom Leben gewonnen hast, so wie ich.«
    An meine Decken gelehnt, ruhe ich und sehe Rotalge zu, wie sie Feuer in der Mitte der Hütte macht.
    Sorgfältig legt sie Reisig auf die heiße Asche und bläst darauf. Ihr rundes Gesicht ist angespannt, denn sie fühlt sich gedrängt, mir Fragen zu stellen - aber noch hat sie es nicht getan. Aber wenn sie endlich ihren Mut zusammengenommen hat - was soll ich ihr antworten? Die Flammen lecken durch das neue Holz, Funken sprühen hoch und tanzen zu den Dachpfosten, wo eine schwarz glänzende Kreosotschicht im plötzlich aufflackernden Licht sichtbar wird. Rotalge setzt sich auf die Matten am Boden und schaut mich an.
    Ich lächle. Sie ist meinetwegen beunruhigt. Ich spüre das, wie Würmer in meinem Bauch. Aber sie lächelt zurück.
    »Noch etwas Tee?«
    »Gern. Danke, Rotalge.«
    Rotalge gießt meinen Kürbisbecher voll, aus dem Darmbeutel, der am Dreibein über dem Rand des Feuers warm gehalten wird. Sie setzt den Becher neben mir ab und sieht mich stirnrunzelnd an.
    »Geht's dir gut?« fragt sie. »Du hast dich ziemlich merkwürdig benommen, noch schlimmer als sonst, und ich spreche nicht nur davon, dass du beinahe gestorben wärst.« Sie lässt sich neben mir nieder und streckt die langen Beine aus. Ihre kleine spitze Nase hat einen Rußflecken. »Was ist mit dir los, Teichläufer?« Glänzendes schwarzes Haar fällt ihr über den Rücken. Ihr kurzes Gewand ist vorne mit weißen Sandkörnchen bedeckt, und sie riecht angenehm nach Holzfeuerrauch.
    Ich hebe meinen Becher hoch und starre auf die Oberfläche des dunklen Tees, wo meine Seele schwimmt. Unter der schwachen Brise vom Meer bewegt sich der Tee wellenartig hin und her.
    Genauso fühle ich mich selbst, als ob mein ganzes Wesen sich wellenartig bewegt, sich ausdehnt und undeutlich wird und zurückrollend wieder deutlich, die Form verändert und in etwas Hellem, Neuem neu geboren wird … Ich muss schwer schlucken. »Rotalge, ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll.«
    »Versuch's und mach schnell, bevor Großmutter oder Mutter zurückkommt. Ich muss es wissen, Teichläufer. Seit der verrückte alte Hundszahn gesagt hast, du würdest sterben, bin ich ganz krank vor Sorge.« »Ich weiß.«
    Ich beiße mir auf die Lippe und schaue Rotalge blinzelnd an. Wie kann ich ihr sagen, dass ich tatsächlich gestorben bin, dass ich drei Tage lang in einer schrecklichen Finsternis schwebte und zusehen musste, wie jeder Strang meiner geflochtenen Seele sich entwirrte und ausfaserte und vor meinen Augen welk wurde, bis nichts mehr da war als nur noch Dunkelheit? Das würde sie nur erschrecken, und es wäre mir unerträglich, wenn meine eigene Schwester, meine beste Freundin, sich vor mir ebenso fürchtete wie alle anderen.
    »Fühlst du immer noch den Donner, der in dir wach wird?« flüstert sie heiser und beugt sich zu mir.
    »O ja«, antworte ich, froh, auf vertrautem Boden zu stehen. »Ich habe sogar gelernt, seine Stimme zu unterscheiden -«
    »Was für eine Stimme?« Ihre dunklen Augen verengen sich.
    Ich nehme einen Schluck Tee, damit ich nichts mehr zu sagen brauche. Ich habe vergessen, dass ich ihr davon noch nichts erzählt hatte. Allmählich wächst ihr Verständnis, ich sehe die Furcht in ihrem Gesicht. Ob sie es wohl begreift?
    »Der Donner, ist das die Stimme von jemandem? Aber Donner ist die Stimme der Blitzvögel, wie konntest du … ?« Sie verzerrt das Gesicht, dann fragt sie mit blitzenden Augen:

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