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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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und sie rief, selbst nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, die Hand nach ihm auszustrecken, während ein anderer Teil vor ihm zurückzuckte wie die Hand, die versehentlich den glatten Leib einer zusammengerollten Giftschlange streift.
    Sie riss ihren Blick von ihm los und betrachtete den Himmel.
    Gewitterwolken segelten über sie hinweg, und in den weiten Lücken zeigten sich Sterngruppen. Von dort hingen schwankende Regenbänder herab. Der rosige Schein des Sonnenaufgangs brachte die roten und gelben Blätter im Wald langsam zum Leben, und deren Farben vermischten sich mit dem grünlichen Grau des hängenden Mooses und den dunklen Gruppen von Fächerpalmen. Die Brise trug den frischen Geruch des Morgens heran … Fünf Krieger, nein sechs, waren um die Hütte herum postiert.
    Kupferkopf blieb plötzlich stehen. Er drehte sich nicht um, sondern spähte hinaus auf die Brandung, wo die Möwen kreisten und herabstießen, mit einem Gekreisch, das das Getöse der Brecher und der Böen übertönte. Schon waren Schneckenfuß, die Geistältesten und eine kleine Gruppe von Seelentänzern aus der Region dabei, die Weck-Zeremonie der Sonnenmutter am Tag ihrer Winterfeier vorzubereiten. Muschelweiß erkannte die meisten von ihnen. Sie umstanden ein großes Strandfeuer, die Gesichter erhellt vom tanzenden orangefarbenen Schein, die Körper kaum mehr als schwarze Umrisse gegen den hellen Hintergrund der Dämmerung.
    »Seltsam«, sagte Kupferkopf. »Ich sollte draußen am Strand sein, bei den anderen Geistältesten, aber ich hatte Angst, dich zurückzulassen.«
    Seine Stimme hallte kreiselnd durch die Leere, die die Seelen von Muschelweiß erfüllten, und tönte so sanft und verzweifelt zurück wie vor zweimal zehn und sechs Sommern:
    Ich hatte Angst, dich zurückzulassen, du bist so außer dir gewesen, seit Riedgras im Fieber lag, dass ich fürchtete, du könntest dir etwas antun.
    Sie fing an zu zittern.
    Langsam, wie mit unsäglicher Anstrengung, drehte sich Kupferkopf zu ihr um. In den tiefen dunklen Gründen seiner Augen glomm ein Licht. »Weißt du, wie sehr ich dich geliebt habe? Wie das für mich war, dich und Riedgras an einem Tag zu verlieren?«
    Muschelweiß lehnte den Kopf fest an den Pfosten, um ihn ruhig zu halten. Jeder Muskel in ihr verkrampfte sich.
    Kupferkopf griff nach dem Stoff über seinem Herzen und zerknüllte ihn in seiner Pein. »Ich habe den Leuchtleuten ständig gedankt«, sagte er, »dass ich die Zeremonien heute Morgen nicht leiten muss. Ich spüre in mir einen grenzenlosen Schrecken, ich habe eine ungeheure Angst, die Augen von dir abzuwenden, weil du dann wieder verschwinden könntest und ich dich dann nie mehr fände.«
    Bei dem weichen Klang seiner Stimme verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. »Was genau willst du von mir, Kupferkopf?«
    »Dich.«
    »Wie?«
    »Ich will dich!«
    Die alte Seestern tauchte aus den Schatten des erwachenden Dorfs auf und kam auf sie zu. Sie hatte eine Schale mit Essen in einer Hand und trug in der anderen einen Kochkorb an den Riemen. Ihr zahnloses, eingefallenes Gesicht erinnerte an eine über Winter verdorrte Pflaume. Aber auf ihrem schönen Ritualgewand funkelten die aufgesetzten polierten Muschelschalen und Samenkörner. Sie ließ sich Zeit und setzte ihre alten Füße mit Bedacht. Der Kochkorb schwankte im Takt ihrer Schritte.
    Kupferkopf wandte sich um und begrüßte sie. »Einen frohen Feiertag wünsche ich dir, Seestern.«
    »Den wünsche ich dir auch, Geistältester.«
    Seestern kniete nieder und setzte die Schale und den Korb vor ihm ab. »Ich habe rituell gesegnete Nahrung und Tee gebracht. Brauchst du sonst noch etwas?« Ihr zahnloser Mund verzog sich zu einem Lächeln.
    »Nein, vielen Dank, Seestern. Ich sehe dich gleich am Strand.«
    »Ja, Ältester.«
    Seestern stand auf. »Heute ist doch der Tag, nicht wahr, Ältester? An dem die Blitzvögel herabstoßen, um uns zu befreien?«
    »So ist es«, antwortete er feierlich. »Sehr bald werden wir alle zusammen in dieser leuchtenden neuen Welt jenseits der Sterne sein. Bereite dich darauf vor!«
    Sie strahlte. »Ja, Ältester, das mache ich.« Sie verbeugte sich, drehte sich um und ging, leichtfüßiger jetzt und heiterer.
    Die Menschen grüßten sie auf ihrem Weg durch das Dorf, stellten ihr Fragen und warfen dann ehrfürchtige Blicke auf Kupferkopfs Hütte. Eilends kämmten die Mütter ihren Kindern die Haare und zogen sie schön an. Krieger überprüften ihre

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