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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Augen. Als er damit über die empfindliche Haut strich, knirschte er mit den Zähnen. Schließlich fiel er an der Wand zusammen und keuchte. Maisfaser trank ihren Sonnenblumen-Tee in kleinen Schlucken. »Du mußt aufstehen, damit ich deinen Rücken einreiben kann, Sängerling.«
    »Gl-gleich«, sagte er tonlos. »Gleich steh ich auf.«
    »Läßt der Schmerz nach? Wie fühlst du dich?«
    Sängerling machte sein rechtes Auge einen Spaltbreit auf. »Glaubst du nicht… Ich meine … ich habe gesehen, wie Leute erfrorene Zehen verloren haben.«
    »Ich habe beobachtet, wie meine Mutter einmal zwei erfrorene Finger abgetrennt hat. Aber keine Sorge. Man braucht nur ein sehr scharfes Messer dazu und muß am richtigen Gelenk schneiden. Das ist etwas zeitraubend und erfordert eine ruhige Hand. Aber da du da unten keinen Knochen hast, geht das so schnell, daß du überhaupt nichts spürst.«
    Sängerling saß reglos da, mit erstarrtem Gesicht. Er blinzelte nicht. »Das war nicht komisch, Seide. Kein bißchen.«
    Maisfaser lächelte trotzdem.

25. K APITEL
    Purpurfarbene Gewitterwolken trieben ostwärts und zogen schillernde Regensäulen über die aufgewühlte Wüste. Vor dem goldenen Schein des Sonnenaufgangs sah es aus, als schritten langbeinige Riesen zu einem Treffen mit Vater Sonne.
    Stechmücke blieb in der Senke des Rechten Wegs stehen, um sie zu beobachten. Durch die kühle Morgenluft wehte der Duft von nasser Erde und Salbei. Er sog diese Düfte ein und behielt sie so lange in den Lungen, wie er konnte. Als er dann ausatmete, spähte die höher gestiegene Sonne durch eine Wolkenlücke, und ein grandioser orangefarbener Schein lag über dem ganzen Land. Stechmücke stand einen Augenblick lang reglos, dieser Schönheit hingegeben.
    Spannerraupe holte ihn ein, und Stechmücke begleitete seinen hochaufgeschossenen Anführer im Gleichschritt wieder aus der Senke nach oben.
    Sie waren weniger als eine Zeithand marschiert, doch schon war der Kriegshäuptling in sorgenvolle Gedanken vertieft. Er war grundlos immer wieder gestolpert und hatte geflucht; er ging mit steifem Rücken und zusammengebissenen Zähnen, eine schwarze Decke über der Schulter, und glich einem Mann, der auf seinen Tod zugeht. Aus dem abgetrennten Kopf in seinem Bündel rann immer noch Blut und befleckte sein rotes Hemd.
    Die dreißig Krieger hinter ihnen murmelten miteinander und fragten sich zweifellos, wie auch Stechmücke selbst, was ihren neuen Anführer beunruhigte. Der Überfall war leicht gewesen, das Töten mühelos. Sie hatten die Befehle ausgeführt - wenn auch nicht gern. Aber das machte keinen Unterschied. Unter dem Kommando von Krähenbart hatten sie viel schlimmere Dinge tun müssen. Der Gedanke an Palmlilie peinigte Stechmücke auch; einen Freund umzubringen… das verwundete die Seele. Aber es war eine Schande, daß der Kriegshäuptling unfähig gewesen war, den Auftrag selbst auszuführen.
    Zweimal in der Nacht war Stechmücke erwacht, und jedesmal war das Lager von Spannerraupe leer gewesen. Einmal hatte er ihn draußen im Gestrüpp gesehen, wo er sich den verwundeten Arm hielt und gegen das Unterholz trat.
    Stechmücke ging um einen mannshohen Schlammhügel herum. Nasse Erdwände waren von den steilen erodierten Uferhängen herabgerutscht und blockierten teilweise den Wasserabfluß. Vor dreißig Sommern war diese Wasserrinne noch ein breites, seichtes Gewässer gewesen. Aber jetzt ragten die Wände zwei Körperlängen über seinem Kopf hoch. Hier und da hingen einsame Wurzeln heraus, in der Brise schwingend, die nicht einmal mehr an ihre längst abgestorbenen Pflanzen gemahnten. Ein murmelndes Bächlein rostbraunen Wassers floß vorbei. Stechmücke stapfte hindurch. Den Uferhang entlang ragten Yuccas hoch, ihre knolligen Schoten rasselten in der Brise wie alte Knochen, und ausgebleichte Reisgrasstengel wiegten sich hin und her.
    Sein Blick glitt nach Süden, und stirnrunzelnd hielt er an. Seine Mokassins sanken im nassen Sand ein, und vor dem grellen Licht der aufgehenden Sonne schirmte er seine Augen ab. Rauchschwaden zogen mit den Wolken dahin. »Was ist denn das?«
    Spannerraupe schaute plötzlich auf, als hätte ihn die Stimme von Stechmücke aus einem Alptraum gerissen. Sein breites Gesicht drückte Sorge aus. »Was denn?«
    »Rauch. Siehst du ihn?«
    Spannerraupe kniff gegen das helle Licht die Augen zu. »Ja. Vom Meldeturm beim Großen Platz. Dreimal eine Rauchwolke… dann zwei Fahnen und wieder eine einzelne Wolke.«
    »Wenn das

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