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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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geweilt hatte wie ein Skorpion in ihrem Garten.
    Alles, was ich getan habe, ist fruchtlos gewesen. Schlangenhaupt würde leben, während Verhüllt-Seinen-Schwanz, Palmlilie und viele andere tot waren. Schlangenhaupts Intrigen hatten die Schande nur noch vergrößert.
    »Es ist meine Schuld«, flüsterte er heiser. »Ich bin ein Narr!«
    Er hatte im Trauerzug etwa siebzig Begleiter gezählt, und das hieß, daß Krallenstadt nur noch über alte Männer, Frauen und ein paar Kinder verfügte, um die Mauern der Stadt zu verteidigen. Vielleicht waren noch einige kranke oder behinderte Krieger zurückgeblieben.
    So wie der Schlag einer Kriegskeule einen unempfindlich für Schmerzen machte, so riß jetzt seine Verzweiflung - die seit zwei Tagen in ihm angewachsen war - einen Abgrund in seiner Seele auf. Distel hatte ihre Gründe, warum sie Krallenstadt schaden wollte. Die Ersten Menschen hatten die Zerstörung ihres Dorfs und die Vernichtung ihrer Familie angeordnet; sie hielten ihre Pflegetochter fest. Aber er… er hatte keine Gründe. Gar keine. »Das sind meine Freunde da unten.«
    Schlangenhaupt zu töten war eine Sache. Daran hatte er geglaubt, und daran glaubte er immer noch. Aber Krallenstadt zu überfallen, wenn die meisten Krieger dort abgezogen waren, war ein Akt der Feigheit.
    Fichtenzapfen trat gegen einen Kiesel, und Staub wirbelte auf. Als er Eichelhäher eröffnet hatte, daß er beim Überfall auf eine wehrlose Stadt auf keinen Fall mit ihm rechnen könne, hatte der bejahrte Mogollon-Häuptling die Augen zusammengekniffen und gesagt: »Dann geh. Ich schenk dir dein Leben wegen deiner Dienste für mich. Aber paß auf: Wenn ich sehe, daß du gegen mich kämpfst, dann fordere ich dieses Leben zurück, Krieger!« Er hatte mit der Hand die Geste des Halsabschneidens gemacht und war gegangen. Und Fichtenzapfen war gelaufen.
    Klügere hätten einen Ort aufgesucht, wo niemand sie kannte. Aber Fichtenzapfen kam geradewegs in die einzige Heimat zurück, die er kannte.
    Und hier stand er nun wie ein seelenloser Fels, unfähig, sich zu rühren, und doch in dem Bewußtsein, daß er nicht bleiben konnte.
    Aufgebauschte Wolkenleute zogen durch den blauen Himmel und warfen hier und da schattige Flecke über den Canyon. Fichtenzapfen blickte nach Krallenstadt und schluckte krampfhaft. Er müßte da unten sein. Und kämpfen.
    Die Alten und die Kinder brauchten ihn. Es war schon immer die heilige Pflicht des Bären-Clans gewesen, die zu schützen, die sich selbst nicht schützen konnten.
    Als hätte ein Geist seiner Seele etwas zugeflüstert, drehte sich Fichtenzapfen langsam um und schaute zur heiligen Südstraße hinüber. Der Leichenzug war nur noch ein trüber, dunkler Fleck. »Heiliger Erster Bär«, wisperte er. »Ich muß mich beeilen.« Er rannte den Sandsteinhang hinunter zur Straße. Noch konnte er etwas für sein Volk tun. Dann könnte er vielleicht einmal später mit Anstand vor seine Ahnen treten.

S IEBTER T AG
    Lautlos knie ich auf dem Hügel, der Waisendorf überblickt. Lachende Kinder spielen auf der Plaza. Es ist ein kleines Dorf - ein Stockwerk hoch, vielleicht sieben Räume - geborgen in der baumbestandenen Mulde einer welligen Hügellandschaft. Truthähne kollern, Hunde liegen im Schatten und wedeln mit ihren Schwänzen, wenn die Kinder vorbeistürmen.
    Aber ich habe nur Augen für den Falken. Ein vorüberkommender Fremder hat mir davon erzählt: Er klammert sich in der nordöstlichen Ecke der Plaza an die Weidenstäbe seines Käfigs. Es ist ein großer Käfig, mannshoch und zwei Körperlängen breit. Der Falke wird wirklich geliebt. Die meisten Besitzer würden keinen so geräumigen Käfig aufstellen; sie würden die Füße des Vogels fesseln, ihn an einen Pfosten binden und ihm, wenn nötig, Futter hineinwerfen.
    An den Weidenstäben kleben Federn und zeigen an, wo er überall mit den Flügeln gegen das Holz geschlagen hat.
    Jeden Sommer raubt der Häuptling des Dorfs einen gerade flügge gewordenen Vogel aus dem Nest und bringt ihn nach Hause. Das befiehlt ihm seine Vision. Man sagt, daß sein Schutzgeist eine Packratte ist; indem er einen der größten Feinde der Packratten fängt und einsperrt, besänftigt der Häuptling seinen Schutzgeist und gewinnt dessen Segen.
    Der Falke schlägt mit den Flügeln; gestreifte Federn flattern durch den Sonnenschein. Seine scharfen Augen richten sich gebannt auf die Truthähne, die hochmütig vor seinem Käfig auf und ah stolzieren. Ich kann ihm seine Verzweiflung

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