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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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verwandeln, auf daß sie ihrem Besitzer ein langes Leben und gewaltige geistige Macht verliehen. Davon hatte er nie etwas gespürt. Für ihn waren Skalpe menschliche Hautteile, sonst nichts. In der südwestlichen Ecke des Raums hüpfte ein roter Papagei in seinem großen Weidenkäfig unruhig herum. Er sprang auf seiner Stange hin und her und kreischte leise. Eine Schale mit Piniennüssen und Sonnenblumenkernen stand im Käfig, umringt von aufgebissenen Schalen. Der große Vogel maß sechsmal eine Handbreit vom Schnabel bis zum Schwanz und hatte einen wunderbaren weißen Kopf mit blauen, gelben und roten Federn. Der Papagei betrachtete ihn gebannt.
    Schlangenhaupt hatte seine Schlafmatte auf der anderen Seite der Kammer, denn der mißgünstige Vogel nahm jede Gelegenheit wahr, um ihn zu beißen. Als Schlangenhaupt den Vogel gerade von einem Händler bekommen hatte, war er neben dem Käfig eingeschlafen und zufällig im Schlaf in die Käfigstäbe gerollt. Er erwachte, als ihm eine Kralle beinahe ein Ohr abriß.
    Schalen klapperten hinter Schlangenhaupt, und er wandte sich um. Trauertaube war gekommen, um das benutzte Geschirr abzuräumen. Sie war klein und zart gebaut, mit einem Gesicht wie ein Backenhörnchen, mit vollen Wangen, großen Augen und einer spitzen Nase. Sie reichte Schlangenhaupt, wenn er stand, gerade bis zur Mitte seines Brustkorbs. Heute abend trug sie ein schönes rotes Kleid, eines, das er ihr geschenkt hatte. Olivella-Schneckengehäuse aus dem Westmeer verzierten die Ränder ihrer Ärmel und klickten lustig, als sie ihren abendlichen Pflichten nachging. Aufschauend sah sie seinen Blick und fragte: »Darf ich jetzt gehen, Gesegnetes Schlangenhaupt?« Ihre Stimme zitterte; sie sah wieder auf die Glut in der Feuerschale.
    Schlangenhaupt nippte an der Tasse Tee, die sie ihm gebracht hatte. Er schmeckte süß nach getrockneten Phlox-Blütenblättern. »Nein, wir wollen noch etwas plaudern.«
    »Aber ich … ich habe Kriecher versprochen, daß ich -« »Kriecher ist einer der Gemachten Menschen«, erinnerte sie Schlangenhaupt. »Ich bin von den Ersten Menschen. Meine Wünsche haben Vorrang.«
    »Ja, natürlich. Vergib mir.« Trauertaube setzte das abgeräumte Geschirr auf den verputzten Boden. »Was ist dein Wunsch, Gesegnetes Schlangenhaupt?«
    »Sieh mich an!«
    Sie hob ihren Blick, und Schlangenhaupt lächelte. Ihre Augen faszinierten ihn, zogen ihn an, so wie ein verwundetes Kaninchen einen Puma anzieht. Angst und Haß schienen in diesen warmen, braunen Tiefen auf, Angst vor ihm und Haß gegen ihn und nur gegen ihn allein. Das Feuer ihrer Empfindungen entfachte seine Leidenschaften. Sie war immer die Sklavin seiner Mutter gewesen, doch seit seiner Kindheit ihm zugeteilt, um ihn zu bedienen. Und er hatte sie benutzt. Als er zehn Sommer alt war, hatte er sie zum ersten Mal auf sein Lager befohlen. In der Tollheit der Jugendzeit hatte er sie manchmal viermal am Tag in seine Kammer bestellt. Sie war ihm wortlos zu Diensten gewesen und hatte nur geantwortet, wenn sie gefragt worden war.
    Sie war seine einzige Vertraute geworden, was er sehr komisch fand. Er war ein privilegiertes Kind gewesen und sie immer nur eine Sklavin. Das heißt, nicht immer. Als sie dreizehn Sommer alt war, war ihre Feuerhund-Mutter von den Turmbauern aus dem Norden gefangengenommen worden. Der Vater von Trauertaube war ein Turmbauer gewesen. Acht Sommer lang hatte sie unter den Barbaren gelebt, bis sie von den Kriegern des Rechten Wegs geraubt worden war. Durch die sonderbare Mischung der Traditionen hatte sie seltsame Anschauungen gewonnen. Sie glaubte an die Prophezeiungen der Feuerhunde, des Volks ihrer Mutter, aber sie fühlte sich ihres Vaters wegen dem Volk der Turmbauer zugehörig.
    Schlangenhaupt lächelte. Er war ein frühreifes Kind gewesen. Er hatte es geliebt, ihr Streiche zu spielen, hatte sich vor ihr versteckt, getan, als wäre er verletzt, gekreischt und Wutanfälle simuliert, um sie in Schwierigkeiten zu bringen, weil sie ihn schlecht behandelt hätte. Trauertaube hatte schreckliche Angst davor, was mit ihr geschehen würde, wenn Schlangenhaupt wirklich verletzt wäre, so daß sie ihm folgte, wo immer er hinging, selbst wenn er Erwachsenen nachschlich, um zu beobachten, welche verbotenen Dinge sie außerhalb der Stadt machten. Die Folge war, daß sie fast so viele Geheimnisse der Ältesten von Krallenstadt kannte wie er. Allerdings konnte sie nur mit ihm darüber sprechen. Wenn jemand erfahren hätte, wieviel sie

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