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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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zurück und sah, wie Düne sich ein hellbraunes Hemd anzog. Sein weißes Haar leuchtete im Feuerschein. Er bückte sich und legte noch Holz nach. »Was?« fragte er. Sängerling schwoll die Brust. »Ich habe gelernt, ein Neugeborenes zu sein. Gleich auf Anhieb.« »Ach ja?« Dünes buschige Brauen hoben sich.
    »Ja, aber du hast recht gehabt,« fügte Sängerling schnell hinzu, »leicht war es nicht. Nein, gar nicht. Ich mußte mich sehr anstrengen.«
    »Ich begreife.«
    Sängerling fühlte sich unbehaglich. »Du begreifst… was?«
    Düne richtete sich auf. Es zuckte in den Runzeln um seine kleine, runde Nase. »Ich begreife, daß du mit deinem Stolz noch immer groß im Licht stehst.«

10. K APITEL
    Die zerstampften Tonscherben auf der sechs Körperlängen breiten Straße schimmerten matt. Nicht alle Straßen hatten solch eine Oberfläche, doch besonders die in der Nähe heiliger Stätten oder Städte. Nachtsonne beeilte sich, ihr schwarzweißer Umhang flatterte wie Fledermausflügel, als sie an Kesselstadt vorbeilief. Östlich von Krallenstadt stieg die Straße terrassenförmig an; die berühmte Kolonnade glänzte in der Sonne. Hinter der Nordmauer mit der freihängenden Veranda stand der Rundturm, der oben zu den Leitern und Handgriffen führte, von denen aus man zur Treppe und zur Straße nach Norden zum Mittelplatz gelangte.
    Mondglanz, eine Cousine von Nachtsonne, war Ehrwürdige Mutter von Kesselstadt. Bewohner, die auf den Dächern des vielgeschossigen Baus saßen, schrien an Nachtsonne gerichtete Fragen herunter, aber sie winkte ihnen nur zu und lief weiter. Sie konnte schon Krallenstadt sehen, die in der Nachmittagssonne weiß leuchtete. Die flache Ost-West-Mauer des riesigen Bauwerks ging in einem fast vollkommenen Halbkreis nach Süden und fing die warmen Strahlen der Wintersonne auf. Sklaven standen in Gruppen an dem einzigen Zugang in der westlichen Hälfte der flachen Mauer, mahlten Mais in den Mahlkästen, trugen Abfall hinaus und webten leuchtend gefärbte Stoffe an großen Webstühlen. Zwei Hirschhäute wurden auf Holzgestelle gespannt; Frauen schabten sie mit Steinwerkzeugen glatt.
    Der junge Schwalbenschwanz, vierzehn Sommer alt, muskulös und sehr groß für sein Alter, kniete neben ihnen und zerlegte mit langer Obsidianschneide einen Hirsch. Mit kurzen fachkundigen Schnitten trennte er die Muskeln durch und legte sie einzeln auf einen flachen Stein. Der Stapel von saftigem rotem Fleisch war schon vier Handlängen hoch. Jeder Sklave hatte bestimmte Aufgaben. Schwalbenschwanz war dazu eingeteilt, Tiere zu zerlegen und die Zeremonialmasken in Krallenstadt abzustauben. Er und seine Mutter, Trauertaube, waren außerordentlich begabte und zuverlässige Sklaven. Als Nachtsonne näher kam, lächelte Schwalbenschwanz und begrüßte sie: »Wie schön, dich wieder hier zu haben, Ehrwürdige Mutter.«
    »Danke, Schwalbenschwanz. Ich hoffe, es geht dir gut.« Er strahlte. »O ja, es geht jetzt besser.« Der Junge blickte auf seinen verbundenen Arm. »Dein Umschlag auf meinem Schnitt hat gewirkt. Keine bösen Geister sind in die Wunde eingedrungen.«
    Nachtsonne lächelte. Er war mit einem großen Wassertopf auf einem Hang ausgerutscht und gefallen, und eine scharfe Scherbe hatte in seinen Oberarm geschnitten. »Das freut mich. Ich sehe morgen noch einmal nach, für alle Fälle.«
    »Vielen Dank, Ehrwürdige Mutter. Ich …« Er schaute plötzlich auf und streckte den Arm aus. »Ich glaube, man grüßt dich.«
    Nachtsonne drehte sich um zu den Hügeln, die vor Krallenstadt hochragten. Sie waren rechteckig und flach, über alte Abfallhügel gebaut, vierkantig angelegt und so hoch aufgeschüttet, daß das Volk über die Südmauer hinweg und auf die Plaza sehen konnte. Während der zeremoniellen Tänze standen die Zuschauer dichtgedrängt auf diesen Hügeln. Aber die Hügel waren mehr als Aussichtsterrassen. Ein Feind müßte durch einen Hohlweg von etwa fünf Körperlängen Breite zwischen diesen Hügeln und der Südmauer schleichen, um den Einlaß zu stürmen. Wer so verblendet wäre, würde alsbald die Krieger von Krallenstadt bereit finden, ihn von der Höhe aus mit Schauern von Pfeilen zu begrüßen.
    Der stämmige Sklavenmeister Grauholz stand oben auf dem östlichen Hügel, sein rotes Hemd bauschte sich im Wind. Er winkte mit seinem Bogen, um sich Nachtsonne bemerkbar zu machen, und rief: »Willkommen zu Hause, Gesegnete Nachtsonne.«
    »Guten Tag, Grauholz«, rief sie. »Wie geht es meinem

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