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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Weißfliege, seinerzeit die Ehrwürdige Mutter der Ersten Menschen, war mit ihrem Mann, der Gesegneten Sonne, von Räubern erschlagen worden. Weißflieges Töchter waren beide verschwunden, bevor sie das Alter von fünfzehn Sommern erreicht hatten. Die Tochter ihrer ältesten Schwester, Goldauge, war von den Feuerhunden entführt worden, und niemand wußte, ob sie noch am Leben war. Es blieb also nur Nachtsonne, die dreizehn Jahre jünger war als ihre Schwester, um das Amt der Ehrwürdigen Mutter zu übernehmen. Aber nicht als alleinstehende Frau, wurde sie belehrt. Wiewohl kein Clan-Gesetz einer alleinstehenden Frau das Amt verwehrte, verlangte der Clan, daß sie heiraten müsse. So hatte sie also rasch den Mann genommen, der für sie ausgewählt worden war.
    Sie hätte Krähenbart fortschicken und ihre Familie zwingen sollen, einen anderen auszusuchen. Hätte sie es nur getan - dann wäre sie jetzt nicht zerrissen, müßte nicht fürchten, daß er stürbe - und würde nicht die Freiheit ersehnen, die sein Tod für sie bedeutete.
    Freiheit - aber um einen so hohen Preis. Bis sie oder Wolkenspiel wieder heirateten - wenn überhaupt , würde ihr einziger Sohn, Schlangenhaupt, als Gesegnete Sonne herrschen, und seine selbstsüchtige Überheblichkeit würde Nachtsonne erlauben zu tun, was sie wollte, zu heilen und zu reisen. Sie könnte sich sogar Liebhaber zulegen, so viele sie wollte. Trotz ihres Alters würden viele Männer ihr gern beiliegen, und sei es nur, um sagen zu können, sie hätten das Lager mit der Ehrwürdigen Mutter von Krallenstadt geteilt, oder um möglicherweise eine damit verbundene Macht zu gewinnen … Nein, ich will keine Liebhaber. Das ist vorbei.
    Eine seltsame Empfindung, als taumelte sie durch die Leere, machte sie schwindlig. Sie streckte einen Arm aus, und Eisenholz hielt sie fest. »Was ist?« fragte er. »Ich habe gerade … nachgedacht.« »Fühlst du dich schuldig? Du hast dir immer für alles mögliche die Schuld gegeben. Seine Krankheit hat nichts mit dir -«
    »Nein, nein.« Sie schluckte. »Ich habe gerade gedacht, daß mein Herz tot ist, Eisenholz. Ich kann nicht mehr lieben.« Sie machte eine pause. »Aber auch nicht mehr weinen.«
    Er drückte ihren Arm, ließ dann los und stand auf. Zu Boden schauend, sagte er: »Du hast eine Entscheidung getroffen, oder? So wie man auf Kürbis verzichtet, anläßlich der Sommertänze? Man braucht nur zu sagen ›Ich liebe nicht mehr‹, und damit entfällt das Verlangen? Du hast viel Macht, Gesegnete Nachtsonne, wirklich viel Macht.«
    Sie schaute zu ihm auf. Ein schwaches Lächeln zuckte um seinen breiten Mund.
    Ich habe auf dich verzichtet wie »auf Kürbis«, nicht wahr?
    Sie hatte die Entscheidung im Handumdrehen getroffen. An dem Tag, als ihr beider Baby starb … Sie hatte gewußt, was zu tun war, und sie hatte es getan. Noch sechs Monde danach konnte sie ihn nicht sehen, ohne weinen zu wollen.
    »Ich bin müde«, sagte sie. »Bleibst du bei Krähenbart, während ich bade und esse? Ich komme zurück, sobald ich -«
    »Schlafe du auch«, sagte er sanft. »Ich werde hier sein.«
    »Wenn etwas geschieht, wirst du -«
    »Es dich sofort wissen lassen. Natürlich.«
    Nachtsonne strich sich die Haare hinter die Ohren und stand auf. »Ich komme bestimmt bald zurück.« »Wie du meinst.«
    Sie wollte hinter ihm vorbeigehen, hielt aber inne. Sie legte ihm leicht die Hand auf den Arm und sah seinen besorgten Blick. »Ich danke dir.«
    »Dein Diener, wie immer.«
    Sie verließ ihn rasch.

    Schlangenhaupt lehnte an der Tür seines Zimmers und beobachtete das Getümmel auf der östlichen Plaza tief unten.
    »Welches von deinen Sklavenbälgern hat mir mein Bündel gestohlen?« brüllte Bullenmaul, der Hohokam-Händler. »Einer wär's, das weiß ich.«
    Fünf Sklavenkinder in braunen Lumpen standen im Kreis um den unförmigen Riesen herum, die meisten über diese Anschuldigung zu Tode erschrocken. Sie starrten ihn mit aufgerissenen Augen an.
    Bullenmaul stützte die Hände in die Hüften. Er war vierzehn Handlängen groß und trug ein Hirschlederhemd mit kupfernen Glöckchen. Sein schwarzes Haar hing ihm bis zum Kinn. »Wenn ihr's nicht sagt, ruf ich den Kriegshäuptling. Wollt ihr das etwa? Der bestraft euch schlimmer als -« »Worum geht es?« Grauholz, der Sklavenmeister, stolzierte über die Plaza, eine Yucca-Peitsche in der Hand und einen Bogen samt Köcher mit Pfeilen über der linken Schulter. Er trug ein rotes Hemd und Sandalen. »Was soll das

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