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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Mann?«
    Grauholz hob unsicher eine Hand. Er warf einen langen, geraden Schatten, der nach Osten wies. Sein schütteres Haar glänzte blauschwarz. »Das wissen nur die Götter. Doch sicher wird es ihm bald bessergehen, da du jetzt wieder zu Hause bist.«
    Nachtsonne lächelte schwach und eilte zu dem engen Portal. Durch den Einlaß hindurch sah sie die Yamuhakto, die Großen Krieger von Ost und West, die auf der gerundeten Rückmauer von Krallenstadt aufgemalt waren, dreißig Handlangen hoch, ganz wunderbar. Das leuchtende Blau, Rot und Gelb ihrer furchteinflößenden Masken bekam im Licht der Nachmittagssonne eine unirdische Tönung. Die Blitze in ihren hocherhobenen Händen zielten auf die Plaza, auf jeden, der es wagen würde, die unantastbare Harmonie der Menschen des Rechten Wegs zu zerstören.
    Mehr als zwanzig Sommer lang hatte Nordlicht immer wieder geträumt, daß die Macht sich aus dem Canyon zurückzöge und die Menschen des Rechten Wegs sich selbst überließe. Er hatte sie gewarnt: Wenn sie nicht bald etwas täten, würden sie ihre Welt zu Staub zerfallen sehen. Im vergangenen Sommer war Nordlicht in die Wüste gegangen, um zu fasten und zu beten, war dann im Laufschritt zurückgekehrt und hatte den Künstlern von Krallenstadt zugebrüllt, sie sollten alles bemalen, Innen- und Außenmauern, Töpfe, Kleider, Schmuck, überhaupt alles, was ein Bild und noch eine Spur der sich zurückziehenden Macht aufnehmen könnte.
    Dann war er zusammengebrochen und hatte vier Tage und vier Nächte lang geweint, bis er keine Tränen mehr hatte.
    Nachtsonne, plötzlich voller Angst, rannte durch das Tor, an den Sklavenkammern zu ihrer Linken und dem Käfig mit eingesperrten Gefangenen vorbei über die weiße Plaza. Drei große Kivas lagen dort vor ihr. Leitern ragten durch die Dächer, Zugang und Ausgang zugleich. Eine lange Reihe von Zimmern durchschnitt rechts von ihr die Plaza in der Mitte und teilte sie in zwei Hälften. Vor ihr lag ein fünfgeschossiger Bau; jedes Geschoß war etwas zurückversetzt, so daß das Ganze einer riesigen Treppe glich. Leitern führten von Dach zu Dach.
    Sie verbeugte sich kurz vor den Großen Kriegern und stieg dann hinauf, die Hand an den Kiefernpfosten, die Füße unentwegt in Bewegung, von einer Leiter zur nächsten, bis sie das fünfte Geschoß erreicht hatte. Obwohl die meisten Zimmer in Krallenstadt mit Hilfe von Leitern durch Dachlöcher betreten wurden, hatte dieser Zimmerblock normale T-förmige Türen. Dank dieser Form der Türöffnung blieben die Zimmer im Sommer kühl. Die kühle Luft am Boden konnte nicht durch die schmale Senkrechte im »T« entweichen, während die warme Luft durch den breiten Querbalken einen Auslaß fand. Neben der Tür, die sie suchte, stand Eisenholz.
    Nachtsonne hielt keuchend an und sah ihm starr in die Augen. Hochgewachsen, sonnengebräunt, lehnte er mit gekreuzten Armen an der weißverputzten Wand. Er hatte sein angegrautes Haar zu einem Zopf geflochten, der ihm über die rechte Schulter hing. Unter seinem roten Hemd zeichneten sich die starken Muskeln ab. Er trug schwarze Leggings und Sandalen. Der Hauptmann war fast sechsundvierzig Sommer alt; sein Gesicht gab Kunde von seinem wilden Leben. Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn und umrundeten seinen breiten Mund, was die abgeflachte Form seiner Nase noch hervorhob. Selbst wenn er in diesen Tagen lächelte, sah er traurig aus, doch für sie würde er immer der gutaussehende, lachende Jüngling sein, den sie so verzweifelt geliebt hatte.
    Aber das ist schon lange her, Eisenholz, nicht wahr? Damals, als wir beide jung und zügellos töricht waren.
    Als sie auf ihn zuging, richtete er sich auf, und die Zärtlichkeit in seinen Augen milderte den strengen Ausdruck. »Verzeih mir«, sagte er und streckte einen Arm aus, um ihr den Weg zu versperren. »Krähenbart hat Befehl gegeben, dich nicht in sein Zimmer zu lassen.«
    »Das überrascht mich nicht, Eisenholz. Er hat noch nie gewußt, was gut für ihn war - oder für irgendwen sonst. Lebt er noch?«
    »Ja. So eben.«
    »Dann braucht er mich. Geh mir aus dem Weg.« Sie versuchte, seinen Arm niederzuzwingen. Er ließ sie nicht durch. »Gesegnete Nachtsonne, willst du, daß ich einen Befehl -«
    Sie duckte sich schnell unter seinen Arm und schritt durch den schön ausgemalten Raum zum Bett ihres Mannes, wo Nordlicht kniete. Er war weiß gekleidet, sein langes Haar glänzte so schwarz wie vor zwanzig Sommern. Er sah sie ernst an.
    »Tante«, sagte

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