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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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noch nicht erzählt habe, hat seinen Grund: Ich war um deine Sicherheit besorgt. Denn wenn mein Verdacht richtig ist, dann bist du eine wertvolle Beute oder ein Ziel für einen ehrgeizigen Krieger, Maisfaser. Erzähle niemandem davon. Versprich es mir!« Maisfaser starrte sie nur benommen an, und Distel beharrte darauf. »Versprich es mir! Du darfst nicht einmal Vogelkind etwas davon sagen. Keinem Menschen. Verstehst du mich?«
    Maisfaser konnte endlich nicken. »Ja.«
    Distel hob das Bündel auf und reichte es ihr. Wie betäubt schlüpfte Maisfaser mit den Armen durch die Schulterriemen und nahm kniend ihren Bogen mit dem Köcher auf, der an der Wand neben der Tür gelehnt hatte. Den Köcher warf sie über die linke Schulter.
    »Mutter, du sollst wissen, daß ich dich jetzt mehr liebe als je zuvor. Wegen… deiner Güte… deiner Zärtlichkeit. Ich verspreche dir, ich werde auf diese Decke sehr gut achtgeben.«
    Distel nahm Maisfasers Gesicht in beide Hände. »Noch eines, meine Tochter: Wenn du jemals in Schwierigkeiten bist und Hilfe brauchst…« Die Wörter erstarben ihr auf den Lippen. Endlich faßte sie sich, ihr Blick wurde klar, und sie fuhr fort: »Wenn du jemals verzweifelt sein solltest, dann bring die Decke nach Krallenstadt und zeige sie dem großen Priester Nordlicht. Sag ihm, daß ich sie dir gegeben habe. Er weiß dann schon Bescheid.«
    »Aber… der ist doch ein Zauberer? Warum sollte -« »Frag mich nicht, meine Tochter. Ich kann dir nur sagen, ich glaube bestimmt, daß er dir helfen wird.«
    Viele Fragen lagen Maisfaser auf der Zunge, und sie wollte noch soviel sagen. War Nordlicht der Vater? Wo war ihre Mutter? Noch in Krallenstadt? Warum war keiner von beiden je gekommen, um nach ihr zu sehen? Vielleicht heimlich, nur um einen Blick auf ihr kleines Mädchen zu werfen? Oder machten sie sich nichts aus ihr?
    Sie drückte Distel an sich. »Ich liebe dich, Mutter. Wir sehen uns bald wieder.«
    Mit gepreßter Stimme antwortete Distel: »Ich weiß. Ich liebe dich auch.«
    Umschlungen schauten sie noch einmal auf die vertrauten Bilder von Lanzenblattdorf - das Viereck der Gebäude, die die Plaza einrahmten, die Kiva, die zur Linken einen Kreis in den Boden zeichnete. Zwei alte Männer, die redeten und lachten, lehnten an der Leiter, die durch das Dach des heiligen Bauwerks ragte. Eine Gruppe ausgelassener Kinder raste über die Plaza, und bellende Hunde waren ihnen auf den Fersen.
    Maisfaser bog auf den Weg ein, wo Vogelkind mit ihrem Vater stand. Palmlilie trug ein langes graues Hemd und rote Leggings. Sein schwarzer Zopf hing ihm über den Rücken.
    »All das hat Vogelkind sehr verängstigt«, sagte ihre Mutter auf dem Pfad. »Du bist mutiger als er, Maisfaser. Versuch ihm seine Ängste zu nehmen, wenn du mit ihm zur Abzweigung der Straße gehst.« Maisfaser kniff die Augen gegen die Sonne zu. Das Herz wurde ihr schwer. »Soll ich ihn den ganzen Weg zum Dorf von Großvater Kalebasse begleiten?«
    »Nein, nur bis zum Gabelung. Hirschvogel erwartet dich heute abend noch vor Einbruch der Dunkelheit. Er würde sich Sorgen machen, wenn du dich verspätest.«
    »Gut, Mutter, ich -«
    Ihre Mutter umarmte sie plötzlich so heftig, daß sie keine Luft mehr bekam. Sie fuhr überrascht zusammen.
    »O meine Tochter«, sagte Distel und legte ihre Wange auf die von Maisfaser. »Du bist meine ganze Freude. Vergiß das nie!«
    Maisfaser küßte ihre Mutter auf die Schläfe. »Ich liebe dich, Mutter. Hab keine Angst. Wir kommen schon zurecht. Ich passe auf Vogelkind auf, niemand wird ihm etwas tun. Er ist wie… er ist mein Bruder. Wir sehen uns ja bald wieder, wenn kein Krieg mehr droht.«
    Distel ließ Maisfaser los, sie hatte feuchte Augen. In diesem Augenblick kam Zikade vom Tor her angerannt, und Löwenjunge folgte ihr auf den Fersen. Die Lippen des fünf Sommer alten Jungen waren zu einem fortwährenden Grinsen verzogen. Doch Zikade sah traurig aus. Jedesmal wenn ihre Füße beim Laufen den Boden berührten, flogen ihr die kinnlangen schwarzen Haare um die Ohren; ihr stämmiger Körper schwankte.
    »Maisfaser!« schrie Zikade und fiel der Freundin um den Hals. »Du wolltest gehen, ohne dich zu verabschieden?«
    »Es ist ja nur für kurze Zeit, Zikade.«
    »Ich weiß, aber du wirst mir trotzdem fehlen.«
    »Du mir auch. Paß gut auf dich auf!«
    »Werde ich … wenn du versprichst, dich nicht von Räubern fangen zu lassen.«
    Maisfaser zwang sich zu lächeln; sie erinnerte sich, daß ihre Mutter gesagt hatte,

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