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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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ziehen? Die Bergklippen waren sicherer. Dort waren sie schon in der Vergangenheit gewesen, wenn im Canyon des Rechten Wegs kein Regen fiel. Warum nicht diesmal auch, aus Gründen der Verteidigung?
    Sie lehnte sich an die Körbe. Meine Leute brauchen mich.
    In ihrer Seele sah sie Eisenholz' lockendes Gesicht und das Licht in seinen Augen. Heilige Götter, wie sie sich davor fürchtete! Wenn sie nun Krallenstadt zusammen verließen? Sich ein neues Heim suchten, fern von den Clans des Rechten Wegs? Könnte ihre Liebe den Fortgang überstehen, die Einsamkeit, die Abwesenheit von Freunden und Verwandten? Könnte sie selbst es? Könnten Krallenstadt und das Volk des Rechten Wegs es sich leisten, beide zu verlieren? Was Politik und Kriegsführung anging, war niemand so erfahren wie Eisenholz. Wenn nun ein Überfall sich zu einem regelrechten Krieg steigerte? Da würde Spannerraupe Eisenholz dringend brauchen. Doch wie könnte sich ein so starker und fähiger Mann wie Eisenholz einem Mann wie Spannerraupe unterordnen? Und wenn Eisenholz einen Rat gab, mußte es unter vier Augen geschehen, denn Spanneraupe durfte nicht zulassen, daß es hieß, er stütze sich auf Eisenholz.
    Erinnerungen meldeten sich flüsternd in ihrer Seele, Geschichten, erzählt an den Feuern der Wintersonnenwende, von den Ersten Menschen, die sich gegen das Schlimmste zur Wehr setzten, das ihnen das Leben antun konnte: Wolfträumer hatte die Menschen durch die dunklen Unterwelten hinaufgeführt und war gezwungen gewesen, seinen eigenen Bruder zu töten, um sie zu retten. Wolkenquirlmädchen und Hauerjunge waren auf dem Rücken der Regenbogenschlange in den Himmel geklettert, um Vater Sonne um Hilfe gegen die schreckliche Flut zu bitten, die die Ersten Menschen zu verschlingen drohte. Weißesche und Schwellbauch hatten dem Ende der Welt getrotzt, um die Spirale der Schöpfung zu stärken, damit die Menschen auf Unserer Mutter Erde weiterleben konnten.
    Alle diese Vorfahren hatten die Niederlage vor sich gesehen und sich geweigert aufzugeben. Sie hatten sich nicht unterkriegen lassen, weder von der Einsamkeit noch vom Haß ihres Volks, den Pfeilen der Feinde, ja nicht einmal vom tückischen Willen der Götter. Das Schicksal hätte vielleicht ihre Familien zerstören oder ihre Gebeine zerbrechen können - aber nie ihren Mut. Sie waren nicht herumgelaufen, hadernd, voller Selbstzweifel - jedenfalls nicht lange. Sie hatten die Niederlage vor Augen gehabt und gekämpft.
    Ein schwaches Lächeln milderte ihre Züge. Das Blut dieser heldenhaften Vorfahren rann in ihren Adern. Etwas von ihnen mußte auch in ihr sein. Vielleicht fand sie in den tiefsten Tiefen ihrer Seele den Mut, alles aufzugeben, was sie je gekannt hatte - so wie Wolfträumer es getan hatte -, und auch die Seelenstärke, ihr Volk in die Selbständigkeit zu entlassen, ohne ihre Führung; damit ihr Volk die Kraft fände, das zu erreichen, hatte Wolkenquirlmädchen sogar ihr Leben hingegeben. Der Windjunge flitzte durch die Kammer und schnüffelte dabei kurz an der Wärmeschale; der rote Schein schwankte und tanzte. Nachtsonne streifte mit den Fingern über das feine Flechtwerk des Korbdeckels, den schwarzen Blitzspiralen folgend, die den Rand verzierten.
    Wir wissen nicht, was der nächste halbe Mond bringen wird, aber was es auch ist, es wird dein Leben für immer verändern.
    Sie packte den Deckel mit beiden Händen, zog ihn hoch und wollte ihn seitlich absetzen, starrte statt dessen aber mit offenem Mund fassungslos hinein. Der Korb war leer! Absolut leer! »Wo sind die Türkise? Wo ist der Schmuck, wo sind die seltenen Keramikwaren? Die Decken, die von den …«
    Sie hörte leises Lachen hinter sich.
    Sie drehte sich auf der Stelle herum; da stand Schlangenhaupt an die Wand neben der Tür gelehnt. Er trug schwarze Leggings und ein strahlendgelbes Hemd mit einer schwarzen Schärpe um die Hüften. Er hatte das Haar aus seinem hübschen Gesicht weggezogen und zu einem Knoten gewickelt. Sein ovales Gesicht mit den großen dunklen Augen leuchtete orangefarben.
    »Hast du den Besitz deines Vaters genommen?« fragte sie.
    »Von Rechts wegen gehörte er mir, Mutter. Unabhängig davon, wer mein Vater war -« Außer sich stammelte sie: »Wie kannst du es wagen!«
    »O bitte. Spiel mir nicht die Unschuldige vor. Ich kenne dich besser, als du glaubst.« Schlangenhaupt stieß sich von der Wand ab und kam zu ihr. Er bewegte sich mit der lauernden Behutsamkeit eines Tieres, das jagt, jeder Schritt langsam und

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