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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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erklärt, daß er wenig Phantasie und kein Gespür für Politik hat. Und was ist, wenn er die Falle wittert und die Straße absuchen läßt, bevor die Prozession von Krallenstadt aus aufbricht? Genau das sähe ihm ähnlich. Ich habe achtzehn Sommer lang an seiner Seite gekämpft, Heuler, und ich weiß, wie er denkt.«
    »Dein neuer Häuptling hat gesagt: fünf Krieger. Das hat er uns versprochen. Hat er seinen eigenen Befehlshaber nicht im Griff?«
    Fichtenzapfen starrte unbehaglich ins Feuer. »Das hoffe ich doch, um unsretwillen.« Heuler wies über das Tal zum größten Feuer, an dem mehr als zwanzig Mann saßen. »Na, dann geh mal rüber und sag Eichelhäher, daß du Zweifel hast -«
    Mit einem Ruck drehte Distel ihren Kopf in diese Richtung.
    »Und da wird er doch bestimmt wissen wollen, ob sein hochbezahltes Kaninchen vom Rechten Weg schon so vor seinem alten Freund zittert, daß es sich am liebsten in seinem Bau verkriecht.« Das Blut rauschte in Distels Ohren, als die verschlungenen Windungen überschaubarer wurden. Noch wußte sie nicht, warum und wozu - aber die Götter hatten gerade ihre Reise um drei Tage verkürzt. »Du gibst einen wertlosen Krieger ab, Heuler«, sagte Fichtenzapfen verächtlich. »Dir fehlt einfach der Verstand. Mein Volk hätte dich als Sklaven behalten sollen. Vielleicht gehst du besser zurück und klopfst Steine, wie? Oder leerst ein paar Pißtöpfe aus?«
    Die dicken Narben auf Heulers Backen zuckten. Drohend ging er auf Fichtenzapfen zu. Zwei Männer am Feuer sprangen auf und packten ihn. In ihrer merkwürdigen Feuerhunde-Sprache redeten sie auf ihn ein.
    »So ist es richtig«, sagte Fichtenzapfen. »Sagt ihm, wenn er mich tötet, bevor ich meine letzte Pflicht erfüllen kann, dann ist das so gut wie Selbstmord.«
    Heuler schüttelte die Männer ab und sah Fichtenzapfen böse an. »Meine Brüder erklären mir, daß du recht hast. Wir brauchen dich noch. Aber sobald -«
    »Was? Was willst du tun? Dein Häuptling hat mir sicheres Geleit versprochen. Soll ich Eichelhäher melden, daß seine Versprechen dich nicht interessieren? Daß du sie brechen würdest, bloß um deinen elenden kleinen Stolz zu befriedigen?«
    Heulers Nasenflügel bebten. Einen Augenblick blieb er starr stehen, dann fragte er mit leiser Stimme: »Sag mir eins, Kaninchen, belastet es dein Gewissen nicht, deinen Häuptling zu verraten?« »Kein bißchen«, antwortete Fichtenzapfen, ohne zu zögern.
    Heuler kreuzte die Arme vor der Brust. »Und was ist mit den andern ? Mit denen im Trauerzug? Vielleicht sind ein paar alte Freunde von dir dabei? Leute, die dir am Herzen liegen?« Ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen. Er beugte sich vor, das Kinn vorgereckt. »Das hoffe ich doch, Kaninchen, das hoffe ich sehr.«
    Er stolzierte zu seinen Decken nördlich vom Feuer und wickelte sich darin ein, mit dem Rücken zu Fichtenzapfen.
    Die anderen Feuerhunde murmelten miteinander, ohne daß etwas zu verstehen war, und gingen auch zu ihren Decken. Fichtenzapfen blieb allein im orangefarbenen Feuerschein zurück. Er verzog das Gesicht, als empfände er Abscheu. Er warf seine Tasse auf den Sand neben dem Feuer und marschierte so nahe an Distel vorbei, daß sie seinen säuerlichen Schweiß riechen konnte. Eine kurze Strecke mühte er sich den Hügel hinauf und setzte sich dann auf einen Stein, von dem aus er das von Feuern erleuchtete Tal überblickte. Eine Weile blieb er unbeweglich sitzen. Dann nahm er plötzlich einen Stein auf und warf ihn ziellos in die Landschaft. Ein gequältes Ächzen entrang sich ihm.
    Distel kroch zwischen den Felsbrocken hindurch und blieb reglos im schwarzen Schatten stehen. Riesige Steinplatten standen kantig um sie herum.
    Fichtenzapfen saß in einer Höhe von zehn Körperlängen am Abhang, das runde Gesicht vom Schein der Feuer erhellt. Er schleuderte einen zweiten Stein hinunter. Dann verbarg er den Kopf in den Händen.
    Distel schluckte, holte tief Atem und ging direkt auf ihn zu, als gehörte sie zum Lager. Als er sie kommen hörte, kniff er die Augen zusammen und fragte: »Was gibt's?«
    »Bitte rufe nicht die Lagerwachen«, sagte sie leise. »Ich muß mit dir sprechen, Fichtenzapfen.« Wie vom Donner gerührt sprang er auf. »Wer - wer bist du? Was willst du?«
    Sie machte eine beruhigende Handbewegung. »Ich bin Distel, Fichtenzapfen. Vom Lanzenblattdorf. Erinnerst du dich?«
    »Distel?« flüsterte er ungläubig und trat näher, um ihr Gesicht zu sehen. Seine Augen weiteten sich; er

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