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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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hatte die Canyonkante noch nicht erreicht. Krallenstadt verharrte noch in einem kalten Schattenschacht, die weißen Wände fahlblau getönt.
    Schlangenhaupt kam mit großen Schritten lächelnd auf Spannerraupe zu.
    »Einen schönen Morgen wünsche ich, Gesegnete Sonne«, sagte Spannerraupe mit gezwungenem Lächeln.
    »Wünsche ich dir auch, Kriegshäuptling. Wie war die Nacht? Irgend etwas Ungewöhnliches?« »Es war ruhig, mein Häuptling.«
    Schlangenhaupt kreuzte die Arme vor der Brust und erschauerte, als er die heller werdenden Klippen überschaute. Mit lässigen Flügelschlägen kreiste ein Adler über der Stützsäule.
    »Ich habe nachgedacht, Spannerraupe. Über deinen Einwand, daß fünf Krieger nicht genug sind, um den Trauerzug zu schützen.«
    Spannerraupe trat von einem Fuß auf den andern. »Ja, und?«
    »Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß du recht gehabt hast. Ich bedaure, deine Einsicht nicht gleich gewürdigt zu haben. Aber jetzt bin ich deiner Meinung. Fünf Krieger wären nicht einmal fähig, einen kleinen feindlichen Stoßtrupp abzuwehren.«
    »Ja, mein Häuptling, das ist richtig.« Spannerraupe fühlte sich erhoben. Seine Argumente hatten gewirkt.
    »Wie viele Krieger würdest du für nötig halten?«
    »Dreißig oder vierzig, das wäre eine gute Zahl. Wenn wir dann in einen «
    »Wenn vierzig gut wären, dann wären siebzig oder achtzig noch besser. Meinst du nicht auch?« Schlangenhaupt zog die Brauen hoch. Gegen die fahlen Wände von Krallenstadt wirkte sein Haar sehr schwarz, und seine dunklen Augen blickten so unmenschlich wie die eines Wiesels. »Nein, mein Häuptling, das meine ich nicht. Zunächst einmal, es gibt nur vierzig Krieger im Bären-Clan. Um achtzig zusammenzubringen, müßte ich unsere Reserve aus den anderen Clans herrufen, und diese Männer, Bauern, Hausbauer und Händler, sind im Grunde keine richtigen Krieger. Sie sind notwendig, wenn die Stadt überfallen wird, aber keiner von denen hat je im Gelände einen Kampf erlebt. Sie wüßten gar nicht, was zu tun wäre. Ich halte dreißig oder vierzig für ausreichend. Um sicherzugehen, brauchen wir nur -«
    »Also ich glaube, daß wir mehr brauchen!« Schlangenhaupts Augen blitzten jetzt böse, als hätte Spannerraupe seine Amtsgewalt in Frage gestellt und ihn beleidigt. »Wir reden über ein Geleit für meinen Vater. Für den Mann, der jahrelang die Gesegnete Sonne war - deine Gesegnete Sonne. Ein Führer unseres Volks. Du wagst es, bei unserer letzten Huldigung für solch einen großen Mann zu knausern?«
    »Schlangenhaupt, das war keine Mißachtung. Ich bin dein Kriegshäuptling. Es ist meine Pflicht, dir zu raten -«
    »Ich habe genug von deinen Ratschlägen, Vetter. Mein Entschluß steht fest. Wir nehmen achtzig Krieger mit. Das ist ein Befehl!«
    Schlangenhaupt drehte sich auf der Stelle um und ging.
    Spannerraupe trat von einem Fuß auf den andern, die Fäuste geballt, während er Schlangenhaupt die Leiter hochklettern und in sein Zimmer zurückkehren sah. O ihr verehrten Ahnen! Der fiel ja von einem Extrem ins andere. Wie in aller Welt sollte er…
    Zwanzig Lidschläge später kam Trauertaube aus Schlangenhaupts Zimmer mit demselben Wäschekorb heraus. Sie kletterte hinab und wollte unbefangen die Plaza überqueren. Doch als sie diesmal an den Einlaß kam, hielt Spannerraupe sie auf. »Einen Augenblick, Trauertaube!«
    Er kletterte hinunter und blickte sie düster an. Sie lächelte furchtsam.
    »Was ist denn, Gesegneter Spannerraupe?« Ihr pausbäckiges Gesicht war gerötet, und ihr hastiges Atmen war nicht zu übersehen.
    »Wohin gehst du?«
    »Zum Wassergraben. Ich muß Wäsche waschen.«
    Spannerraupe fuhr mit der Hand in den Korb und befühlte die Wäschestücke. »Die sind alle naß. Du hast sie doch gerade von unten herauf gebracht.«
    »Ja, aber«, stotterte sie, »Sch-Schlangenhaupt war mit meiner Arbeit nicht zufrieden. Er hat mir befohlen, alles noch mal zu waschen.«
    Spannerraupe runzelte die Stirn. »Trauertaube, sag mir die Wahrheit. Was geht hier vor? Warum wäschst du hier vor Morgengrauen? Warum verläßt du die Stadt durchs Fenster?«
    Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie sah elend aus. »Spannerraupe, ich «
    »Ich werde keinem etwas sagen, Trauertaube. Ich habe keine Lust, dich tot zu sehen. Aber ich will wissen, was du vorhast. Ist das ein Auftrag von Schlangenhaupt?«
    Sie nickte unglücklich. »Ja, Kriegshäuptling.«
    »Und welcher?«
    »Das - kann ich nicht sagen. Spannerraupe, bitte! Wenn er

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