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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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blitzschnellen Bewegung zog Zaunkönig an der Schnur, riss dadurch die Stöcke um, und das Netz begrub drei der kleinen Vögel unter sich. Die anderen konnten noch rechtzeitig unter den losen Seiten entwischen und flogen auf und davon, gefolgt von dem übrigen Schwärm.
    »Komm, schnell!«, rief Zaunkönig. Sie sprang hoch und stürzte auf das Netz zu.
    Die gefangenen Vögel zappelten laut piepsend unter dem groben Gewebe, pickten an den Rindenstreifen und hackten vor Schreckgegenseitig auf sich ein. Zaunkönig schob mit beiden Händen das Netz unter den Vögeln zusammen, hob es hoch und hielt es wie einen Beutel zusammen. Die Vögel piepsten in den höchsten Tönen, als sie das Netz oben zuband. »Sieh nur, Polterer! Wir haben es geschafft. Die Vögel, die du nicht brauchst, werden wir uns heute Abend kochen.« »Wir dürfen sie nicht essen, Zaunkönig.«
    Polterer setzte sich neben sie in den Schnee und streckte seine wunden Hände nach dem Netz aus. Sie reichte es ihm, fragte aber verwundert: »Auch nicht einen? Warum denn nicht? Es ist zwar nicht viel dran an so einem Zeisig, aber er ergibt zumindest eine wohlschmeckende Brühe.« Polterer schüttelte den Kopf. »Ich muss einen von ihnen um Hilfe bitten, Zaunkönig. Da darf ich doch seine Verwandten nicht essen.«
    Als er das Netz aufknotete und seine Hand hineinschob, piepste einer der Zeisige schrill. Polterers Finger schlössen sich um den kleinen Körper des Vogels, und er nahm ihn heraus. Die anderen beiden ließ er fliegen. Wie Pfeile schössen sie davon.
    Zaunkönig setzte sich neben ihn in den Schnee und schaute ihn erwartungsvoll an. »Und jetzt?« Polterer drückte den Vogel behutsam an seine Brust und seufzte erleichtert. »Ich bin derjenige, der das tun muss, Zaunkönig.«
    »Was tun?«
    Der Junge strich behutsam mit dem Daumen über den kleinen Kopf des Vogels und murmelte: »Keine Angst. Dir wird nichts geschehen. Schh… Schh…«
    Zaunkönig verfolgte sein Tun mit gerunzelter Stirn.
    Polterer berührte mit dem Vogel jetzt sanft seine Stirn und schloss die Augen. Seine Lippen formten lautlose Worte, als spräche er zu dem kleinen Geschöpf, das ängstlich in seiner Hand tschirpte und zappelte. Plötzlich öffnete Polterer die Hand und ließ ihn frei. Der Zeisig flatterte noch einmal rund um die Lichtung, ehe er sich hoch in die Lüfte erhob.
    Zaunkönig schirmte die Augen mit einer Hand gegen die Sonne an und schaute ihm hinterher. Der schwarze Punkt wurde kleiner und kleiner, bis der Zeisig in den golden glühenden Bäuchen der Wolkenriesen verschwunden war, die sich am blauen Himmel bauschten.
    Dann ließ sie die Hand sinken und sah Polterer an. Tränen standen ihm in den Augen. »Was hast du zu dem Vogel gesagt?«
    Polterer sprach ganz leise. »Ich habe den Zeisig gefragt, ob er hinauf in die Welt-über-dem-Himmel fliegen und meine Mutter suchen würde. Wenn sie dort ist, dann… dann brauche ich nicht…« Zaunkönig legte ihm den Arm um seine mageren Schultern und zog sein Gesicht sanft an ihren Fellumhang. »Dann brauchst du nicht nach Hause zu gehen.«
    Er nickte stumm.
    Und ersparst dir auch den Anblick ihres Leichnams. Dann kannst du sie so in Erinnerung behalten, wie sie ausgesehen hat, ehe mein Klan sie tötete.
    »Weißt du, Polterer, ich habe mir überlegt, dass es besser wäre, wir ließen das Kanu in dem Versteck und gingen den Rest des Weges zu Fuß.«
    »Für den Fall, dass sie uns verfolgen?«
    Sie nickte und zog ihn an sich. »Ja. Keine Sorge, der Zeisig wird uns unterwegs finden, falls er eine Botschaft von deiner Mutter für dich hat.«
    Polterer wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab. »Ja, du hast Recht. Außerdem müssen wir weiter. Ich weiß, dass wir in großer Gefahr sind.«
    Zaunkönig half ihm beim Aufstehen und stapfte zielstrebig auf den Pfad zu. Als sie das Knirschen seiner Mokassins im Schnee nicht hörte, blieb sie stehen und schaute sich nach ihm um. Polterer stand am Rand der Lichtung, den Kopf in den Nacken gelegt, und blickte hinauf in den Himmel. In seinen Augen schimmerte alle Hoffnung dieser Welt.
    Zaunkönig wartete geduldig.
    Dann sagte sie mit weicher Stimme: »Es ist ein weiter Weg bis hinauf in die Welt-über-dem-Himmel, Polterer. Dafür wird der Zeisig eine Weile brauchen. Gib ihm die Zeit.«
    Der Junge wandte den Blick vom Himmel ab, ließ den Kopf hängen und starrte in den Schnee. Heiße Tränen tropften auf seine Mokassins. Etliche Herzschläge später nickte er und folgte ihrer Spur. Die

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