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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Mädchens gegen ihren eigenen Klan. Ich sage euch, noch in tausend Wintern wird man die Mächte, die das Wandererdorf im Winter der Weinenden Felsen heimgesucht haben, in schaurigen Legenden besingen. Mit bangen Stimmen wird man von dem verruchten Falschgesicht-Kind berichten und von Springender Dachs, dem tapferen Kriegsführer, der es gefangen nahm. Man wird die grausamen Tode derjenigen besingen, die es wagten, den Jungen zu berühren. Ich war dort. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sich Moosschnabel und Schädelkappe schreiend und winselnd im Todeskampf wanden.«
    Er machte eine Pause und studierte die Gesichter, die ihn mit großen Augen anstarrten. Niemand der Anwesenden schien zu atmen. Selbst das kleine Mädchen mit den langen Zöpfen hockte da wie aus Holz geschnitzt.
    Ja, das versprach in der Tat ein lukrativer Abend zu werden.
    »Ich sah den Körper der ehrwürdigen alten Weißer Reiher blutend daliegen. Der …« »Weißer Reiher ist tot?«, krächzte Goldamsel dazwischen. Ihre Gesichtsfalten kerbten sich tiefer ein. »Ist das wahr? Ich habe davon gehört, es aber nicht geglaubt. Bist du ganz sicher?« Maishülse nickte bedeutungsschwer. »Das Falschgesicht-Kind hat sie mit ihrem eigenen Messer erstochen, verehrte Anführerin, und dann« - er hob einen Arm zur vom Feuer rot bestrahlten Decke des Langhauses empor, und alle Augen folgten ihm - »flog der Junge wie ein Vogel hinauf zu den geschwärzten Dachbalken des Versammlungshauses der Wanderer. Das habe ich aus Anführerin Siebensterns eigenem Munde gehört.«
    Goldamsel kniff schmerzgebeugt die runzligen Lippen zusammen. »Ich werde Weißer Reiher vermissen. Sie war eine gute und freundliche Frau. Eine aufrechte Anführerin. Fahre fort, Händler. Berichte uns mehr von dem ruchlosen Mädchen und dem Falschgesicht-Kind.«
    Maishülse senkte abermals die Stimme und zwang so die Leute, sich ihm entgegenzubeugen. »Nachdem er Weißer Reiher erstochen hatte, flatterte der Teufelsjunge kreischend wie ein wütender Adler durchs Gebälk. Dann stürzte er sich auf Siebenstern herab und versuchte ihr die alten Augen auszuhacken, damit sie ihm nicht mehr ins Gesicht starren konnte…«
    Unter den Zuhörern wurde erregtes Gemurmel laut, und Maishülse hob eine Hand, um den Leuten Schweigen zu gebieten. Als er nach einer kurzen Pause fortfuhr, drang seine Stimme bis in den hintersten Winkel des Langhauses. »Ihr kennt doch alle die Geschichte! Der Vater des Jungen ist ein niederträchtiger Waldgeist, der aus der Welt-über-dem-Himmel verbannt und dazu verurteilt wurde, bis in alle Zeiten auf Erden umherzuirren! Es ist die Wahrheit, wenn ich euch sage, dass der Junge noch viel mächtiger ist als sein Vater. Die Tiere kommen auf einen Ruf von ihm herbei, und mit einer Hand kann er die Wolkenriesen vom Himmel holen!«
    Die Leute rutschten nervös auf ihren Plätzen herum und flüsterten aufgeregt. Ihre Stimmen wurden immer lauter.
    »Das sind keine Gerüchte, versichere ich euch. Es ist die reine, ungeschminkte Wahrheit. Hört mir zu, Leute. Hört, was ich zu sagen habe…!«

20. Kapitel
    Zaunkönig bog einen tief herabhängenden Fichtenzweig zur Seite und stand plötzlich in der grellen Nachmittagssonne. Ihr langer Zopf schimmerte wie Steinkohle. Den ganzen Tag über waren sie schweigend hintereinander her marschiert, hatten sich im Gehen eine Hand voll Schnee in den Mund gestopft, wenn sie durstig waren, und ein Stück von dem gedörrten Elchfleisch gekaut, um ihre knurrenden Mägen zu besänftigen. Zaunkönig machte bewusst kleine Schritte, damit Polterer mithalten konnte, doch jetzt, gegen Nachmittag, fiel er immer weiter zurück. Seit der Mittagsstunde zitterte er am ganzen Leib, weigerte sich aber hartnäckig, eine Rast einzulegen. Während Zaunkönig auf ihn wartete, genoss sie das warme Sonnenlicht und studierte den vor ihnen liegenden Pfad. Der Weg wand sich schlangenförmig um Felsbrocken herum, die Zaunkönig um vieles überragten. Rehwild und Elche schienen ihn als Wildwechsel zu benutzen, denn der Schnee lag wie eine löchrige, schmutzige Decke über hunderten von Wassergefüllten Hufabdrücken. Von nun an würden sie noch langsamer vorwärts kommen. Schon jetzt klebten ihr die ledernen Leggins schwer an den Beinen. Sie legte eine Hand über die Augen und blinzelte hinauf zu Großvater Tagbringer. Drei Hand Zeit blieben ihnen noch bis zum Einbruch der Dunkelheit.
    Ein Ast knackte. Zaunkönig fuhr herum und sah Polterer über eine Wurzel stolpern.

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