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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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zu beherrschen. Das Haar wirkte wie eine Tür zu den Seelen dieser Person. Er vermochte diese Tür zu öffnen und den Raum dahinter zu betreten, wo sie Seelen lagen, nackt und verwundbar, und dann mit ihnen tun, wonach ihm verlangte. Zum Kriegsführer war er auch nur deshalb aufgestiegen, weil er die Seelen seiner Kontrahenten verwundet hatte, die mit ihm um diese Stellung wetteiferten. Nachdem er sich der Seelen dieser Männer bemächtigt hatte, wurde ihr Blut so schwach wie das eines alten Weibes. Einer war angesichts einer bevorstehenden Schlacht davongerannt und hatte sich damit seine Chance ruiniert. Ein anderer hatte versehentlich einen Krieger aus den eigenen Reihen getötet; auch dem traute anschließend niemand mehr den verantwortungsvollen Posten zu.
    Hohler Hügel hatte die Wahrheit herausgefunden. Sie war schon immer unheimlich neugierig gewesen, deshalb hatte er sie auch so oft schlagen müssen. Pausenlos hatte sie ihm Löcher in den Bauch gefragt und dann geschmollt, wenn er ihr keine Antwort gab. Eines Abends, kurz nachdem man Tänzelnden Baum wegen seiner Zaubereien verbrannt hatte, war Springender Dachs hinunter zum Fluss gegangen, um sich zu baden. Sein Halsband mit dem Medizinbeutel hatte er neben ihrem gemeinsam Nachtlager abgelegt. Gegen die heiligen Regeln ihres Klans hatte Hohler Hügel darin herumgeschnüffelt, die abgeschnittenen Fingernägel gefunden, verschiedene Haarsträhnen, einzelne Zähne und getrocknete Fleischstreifen. Als er vom Baden zurückkehrte, hatte sie ihn zur Rede gestellt und zu wissen verlangt, was er mit diesen abscheulichen Dingen treibe. Sie hat dich einen Hexer genannt.
    »Ich hätte mich in jener Nacht nicht schlafen legen dürfen.
    Ich …«
    Besonders nicht nachdem du ihr die Lippen mit deinen Fäusten gespalten und ihr zwei blaue Augen geschlagen hast.
    »Das hat sie auch verdient. Stell dir vor, die Frau hat es doch tatsächlich gewagt, den Medizinbeutel eines Mannes anzufassen. Ich hätte sie auf der Stelle töten sollen.«
    Du bist ein Hexer.
    »Ich hole mir die Macht, wo ich sie finde. Das ist alles.«
    Irgendwo zwischen den Bäumen zu seiner Rechten wurde ein schlurfendes Geräusch laut. Zweige knackten. Springender Dachs fuhr herum. Das Geräusch näherte sich dem Rand der Feuerstelle und verstummte dann, doch ging von der unsichtbaren Gestalt eine eisige Kälte aus, die sich rasch im gesamten Lager ausbreitete. Springender Dachs warf noch einen Ast ins Feuer und zog sich die Decken bis an die Ohren hoch. Er fror auf einmal entsetzlich.
    Was ist das? Kannst du es sehen?
    »Ich sehe sie nie deutlich«, wisperte er. »Ich erkenne immer nur Schatten, die im äußersten Schein des Feuers tanzen, oder glühende Augen. Aber ich höre und ich rieche sie. Der Geist letzte Nacht, der hat gestunken wie ein Misthaufen.«
    »Bald wirst du mir neue Augen geben müssen. Wie, glaubst du wohl, soll ich in die Zukunft blicken, wenn ich nicht einmal dich richtig sehen kann?«
    »Und wie soll ich das anstellen? Soll ich etwa einem lebenden Menschen die Augen aus dem Schädel schneiden und sie in deine leeren Augenhöhlen stecken? Immer mehr Krieger erhoben sich von ihren Nachtlagern und verschwanden im Wald. Springender Dachs schnitt eine grimmige Fratze und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Lahmer Hirsch zu. »Wessen Augen hättest du denn gern? Hm? Die von Elchgeweih vielleicht? Auf diese neugierige Alte könnte ich gut verzichten. Sie ist beinahe so frech wie Hohler Hügel.«
    Er warf sich auf die andere Seite und fixierte die Kriegerin mit einem hasserfüllten Blick. Sie lag ganz still da, die Augen halb geschlossen, Schweißperlen schimmerten auf ihrer breiten, flachen Nase. Das lange schwarze Haar hatte sie sich hinter die Ohren gesteckt.
    »Ha!« lachte Springender Dachs. »Hast wohl Angst vor mir, altes Weib, wie? Ja, das solltest du auch.« Springender Dachs langte an seine Brust und umfasste den Medizinbeutel, in dem er von jedem einzelnen seiner Kriegeretwas aufbewahrte. Zumeist handelte es sich dabei um einzelne Haarsträhnen, doch von Elchgeweih besaß er kleine, mit ihrem Menstruationsblut getränkte Stofffetzen. Er hatte sie schon vor vielen Wintern an sich genommen, als er zum ersten Mal den Verdacht hegte, dass sie eine Bedrohung für seine wachsende Autorität darstellen könnte.
    »Sieh dich vor, alte Frau«, zischte Springender Dachs grinsend und strich liebevoll über den kleinen ledernen Beutel. »Du willst doch nicht meinen Zorn auf dich ziehen,

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