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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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oder?«
    »Es ist nicht dein Zorn, der mir Angst macht, Springender Dachs«, erwiderte sie leise.

21. Kapitel
    Zuckerahornbäume säumten ihren Weg; ihre dunklen Stämme verschmolzen mit den immer länger werdenden Schatten. Hoch über ihren Köpfen woben die Äste ein schwarzes Gespinst vor dem düsteren Himmel.
    Die dichten weißen Haare, die Sperling weit über den Rücken herabfielen, hatten einen seltsam bläulichen Farbton angenommen. Aschenmond hatte diesen Anblick ständig vor Augen. Sperling hatte darauf bestanden, dass sie hintereinander gingen, Blauer Rabe als erster, dann Sperling und Aschenmond als letzte. Diese Reihenfolge entsprang zwar guten Absichten, doch es bedeutete auch, dass Aschenmond gezwungen war, den ganzen Tag um die tiefen Schlammlöcher herumzubalancieren, die die Mokassins der Männer in den weichen Boden getreten hatten. Ihre Beine schmerzten, doch gegenüber dem Oberhaupt des Wanderer-Klans hätte sie niemals eine Schwäche eingestanden. Und sie wusste auch, dass sie ihr Tempo beibehalten mussten, sonst würden die Kinder vor ihnen in dem zerstörten Buntfelsendorf anlangen.
    Aschenmond tat einen unachtsamen Schritt, rutschte aus und wedelte wild mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten und nicht der Länge nach in den Dreck zu fallen. Sie blieb kurz stehen und holte tief Luft. Ihre Füße steckten knöcheltief im Matsch. Das warme Sonnenlicht hatte den Schnee zum größten Teil geschmolzen, nur im Schatten der Bäume leuchteten noch vereinzelte weiße Flecken.
    Ihr Blick war meistens auf Blauer Rabe gerichtet. Er war nur ein wenig größer als Sperling; sein graues Haar umrahmte ein ovales Gesicht mit sanften braunen Augen. Der Elchlederumhang schwang ihm beim Gehen um die Hüften und enthüllte das Messer, das er am Gürtel trug. Über seiner linken Schulter hingen ein Bogen und ein Köcher mit Pfeilen.
    Aschenmond setzte ihren Weg fort, mit ausgestreckten Armen das Gleichgewicht haltend und sorgfältig darauf achtend wo sie hintrat.
    Schon seit geraumer Zeit sinnierte sie über das nach, was Blauer Rabe ihnen über Polterer und Zaunkönig erzählt hatte. Sein dringendes Bestreben, seine Nichte vor Springender Dachs zu finden, leuchtete ihr ein, doch seine übrigen Pläne waren ihr bis jetzt noch unklar. Er hatte zwar gesagt, dass er und Zaunkönig sich »etwas überlegen« würden, aber das ergab keinen vernünftigen Sinn. Für ein Mädchen des Bärenvolkes gab es kein Leben außerhalb ihres Klans. Andererseits hatten die Wanderer-Anführerinnen das Mädchen zum Tod verurteilt. Brächte Blauer Rabe seine Nichte nach Hause, würde sie sterben müssen. Keine Klananführerin konnte es sich leisten, einen derartigen Urteilsspruch zurückzunehmen. Damit würde sie ihre Autorität untergraben. Außer… berechtigte Gründe tauchten auf, dieses Urteil zu revidieren. Blauer Rabe musste ihnen etwas im Austausch für Zaunkönigs Leben anbieten. Etwas, das die Anführerinnen besänftigte und die Schwere von Zaunkönigs Verbrechen milderte.
    Und dieses »Etwas« stand Aschenmond auf einmal ganz klar vor Augen.
    Er muss Polterer zurückbringen.
    Wenn sie in Blauer Rabes Mokassins stünde, würde sie genauso handeln: die Kinder suchen, sie ins Dorf zurückbringen und beide den Anführerinnen übergeben - und gleichzeitig um Zaunkönigs Leben bitten. Sie würde den Anführerinnen vielleicht vorschlagen, Zaunkönig dazu zu verurteilen, Wache zu sitzen, während der Junge starb, oder ihnen sogar den Vorschlag machen, dem Mädchen zu befehlen, den Jungen eigenhändig zu töten. Das war die einzige Lösung, die diesem Fall angemessen wäre. Zaunkönig hatte den Jungen gerettet und dadurch ihren Klan in Gefahr gebracht. Wenn sie ihn jetzt tötete und ihren Klan rettete, würden die Anführerinnen unter Umständen Milde walten lassen. plötzlich fiel der Pfad, der sie in ein enges Tal führte, steil ab. Zu ihrer Rechten erhob sich eine etwa fünfzig Hand hohe ockerfarbene Felswand, die eine Wiese im Süden begrenzte und immer flacher wurde, bis sie in verwelktem, goldenem Gras auslief. Im Norden mischten sich grüne Fichten mit kahlen Ahornbäumen. In ihrem Schatten, kaum zu erkennen, graste eine Herde Wapitihirsche. Aschenmond betrachtete Blauer Rabe unter hochgezogenen Brauen. Dass er in ihr Lager spaziert war, hatte ihm die Sache nicht leichter gemacht. Es war offensichtlich, dass Aschenmond und Sperling ihm nicht erlauben würden, Polterer mitzunehmen. Glaubte der Mann etwa, er könnte sie

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