Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken
Dachs mit Freude den Kopf des Jungen gegen den deinen eintauschen würde.«
Sperlings struppige Brauen senkten sich über seine Adlernase. »Davon bin ich…«
Blauer Rabe war herangekommen, blieb vor ihnen stehen und warf das Feuerholz auf den Boden. Dann schlug er seinen Elchlederumhang auseinander. An seinem Gürtel baumelte ein totes Wildkaninchen. Es blutete aus einer Wunde am Schädel. »Ihr habt eure letzten Vorräte mit mir geteilt«, begann er, während er das Tier von seinem Gürtel losband. »Und dafür möchte ich mich bedanken. Dieses Kaninchen kam hinter einem Baum hervorgehüpft und blieb keine zehn Schritte vor mir sitzen. Ich habe es mit einem einzigen Pfeilschuss erlegt.«
Sperling schenkte ihm ein sehr viel freundlicheres Lächeln, als Aschenmond für möglich gehalten hätte. »Du hast wohl meinen Magen knurren hören, wie? Seit Tagen schon schreit er nach einem Stück Fleisch.«
Aschenmond streckte Blauer Rabe die Hand entgegen. »Gib mir das Kaninchen, ich werde es säubern und zerlegen. Inzwischen kannst du die Äste klein brechen.«
Für die Dauer eines Herzschlags berührten sich ihre Hände. Aschenmond zog die ihre so blitzschnell zurück, als habe sie eine Schlange gebissen. Blauer Rabe war ihre Reaktion nicht entgangen, aber er schien nicht beleidigt zu sein. Er trat einfach einen Schritt beiseite und lächelte, als wollte er sich für die Berührung entschuldigen.
»Ich - ich mache mich jetzt an das Holz.«
»Und ich kümmere mich um das Feuer«, fügte Sperling hinzu. Nachdem er erst Blauer Rabe, dann Aschenmond mit einem prüfenden Blick gemessen und zu der Ansicht gelangt war, dass sie nicht in Gefahr schwebte, hob er einen flachen Stein vom Boden auf und begann damit eine Vertiefung in die Erde zu graben. Das feuchte Erdreich häufte er zu einem kreisförmigen Wall auf, um das Feuer vor dem Wind zu schützen und das trockene Gras vor dem Feuer.
Blauer Rabe zerbrach einen dicken Ast über dem Knie. Das scharfe Krachen des berstenden Holzes hallte durch die abendliche Stille. »Wie weit wird es noch sein bis zum Buntfelsen-Dorf? Wenn ich mich nicht täusche, sollten wir es morgen erreichen, oder?«
Sperling verteilte das trockene Gras, das Aschenmond gesammelt hatte, in der Grube und platzierte sein Feuerbrett. »Ja, kurz vor Einbruch der Dämmerung, würde ich schätzen. Wenn es morgen auch so warm wird wie heute, werden wir knietief durch den Matsch waten müssen. Ein Spaziergang wird das also nicht werden.«
Blauer Rabe zerbrach einen weiteren Ast und warf die Stücke auf einen zweiten Haufen. »Ja, ein Pech, dass es keinen anderen Weg gibt als diesen zertrampelten Wildpfad. Morgen Früh wird er sich in das reinste Sumpfland verwandelt haben.«
»Das sind ja herrliche Aussichten«, brummelte Aschenmond und machte ein finsteres Gesicht. Sperling, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte, versuchte durch schnelles Drehen den Hartholzstab zum Glühen zu bringen. »Dieser Marsch hat ja bald ein Ende, Aschenmond.«
»Das weiß ich, Sperling, aber er kommt mir trotzdem wie eine Ewigkeit vor.«
Die Felswand hatte ihren Ockerton verloren und erstrahlte nun in einem silbrigen Blau. Aschenmond gab sich für einen Moment diesem abendlichen Naturschauspiel hin, bevor sie sich vorsichtig ins Gras kniete und das Kaninchen vor sich hinlegte. Jeder Knochen im Leib tat ihr weh. Sie ließ ihre rechte Schulter kreisen und stöhnte dabei leise.
»Das war ein langer Tag«, bemerkte Sperling mit einem mitfühlenden Blick auf Aschenmond. Das knirschende Geräusch des Hartholzstabs auf dem Feuerbrett, das Krachen der Äste und die heiseren Rufe der Eulen verbanden sich zu einer heimeligen Abendserenade.
»Wenn ich erst mal etwas gegessen habe, wird es mir wieder besser gehen.«
Sie zog ihr Messer aus dem Gürtel und schnitt damit den Kopf des Kaninchens ab. Der kleine Körper war inzwischen so ausgekühlt, dass die Flöhe, die ihn sich zur Wohnstatt auserkoren hatten, um ihr Leben rannten. Zu Dutzenden kamen sie aus dem Fell gekrochen und hüpften Aschenmond über das Kleid und die Hände. Jetzt nahm sie das Tier in die linke Hand, hob es hoch und zog ihm mit der anderen das Fell über den Hals und die Schultern bis zu den Vorderläufen herab. Nachdem sie die Beine einzeln aus dem Fell geschält hatte, zog sie das Fell vorsichtig über Bauch und Rücken und anschließend die Hinterläufe herunter. Dann legte sie den abgehäuteten, rosig schimmernden Körper ins Gras und strich das nach
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