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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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plötzlich nach Zaunkönig/ Dutzende von ihnen, die immer näher und näher kamen. Krampfhaft hielten ihre Finger den Bogen umfasst. Ob die Seelen, die um diese grotesk verrenkten Körper herumschlichen, wohl wussten, dass sie zum Wanderer-Klan gehörte? Konnten sie es an ihrem Blut riechen?
    Ein leiser, herzzerreißender Schrei durchbrach die Stille.
    Zaunkönig fuhr herum und rief: »Polterer?«
    Er war hinauf in den Wald hinter den in Schutt und Asche liegenden Hütten gegangen und kauerte vor einem Haufen mit verkohlten Überresten.
    »Polterer?«
    Zaunkönig rannte über den Dorfplatz, vorbei an den angefressenen Leichen seiner Verwandten, und kletterte den Hügel hinauf.
    Als sie sich neben ihm auf die Knie fallen ließ, erkannte sie zu ihrem Schrecken, dass es sich bei dem Haufen nicht um verkohltes Holz handelte, sondern um die Leiche einer Frau. Vermutlich war das brennende Dach über ihr zusammengestürzt. Auf ihrer rechten Kopfhälfte klebten versengte Haarsträhnen, die andere Hälfte der Kopfhaut hatten Wölfe abgerissen, so dass die blanken Schädelknochen sichtbar waren. Zaunkönig konnte die Stelle erkennen, wo eine Kriegskeule ihr das Gesicht zerschmettert hatte. Zähne und Knochensplitter ragten aus der klaffenden Wunde. Mit versteinerter Miene berührte Polterer das Silberamulett am Hals der Toten, zog dann die Hand zurück, schüttelte den dicken Handschuh ab und steckte den einen unversehrt gebliebenen Finger in den Mund.
    Zaunkönig ließ sich hinter ihm auf den Boden sinken, zutiefst erschüttert.
    Bei meinen Seelen, dachte sie, Wilde Rose war nach dem Überfall noch am Leben gewesen. Am Leben und entschlossen, dem Grauen zu entkommen. Fetzen ihrer verbrannten Kleider markierten den Fluchtweg von ihrer Hütte bis auf den Hügel. Unglaublich, dass sie es bis hierher geschafft, dass sie es in ihrem Zustand fertig gebracht hatte, unter den brennenden Trümmern ihrer Hütte herauszukriechen und sich diesen Abhang hinauf zuschleppen …
    »Sie hat mir versprochen, mich zu holen«, wisperte Polterer kaum hörbar. »Das waren ihre letzten Worte.«
    Zaunkönig legte den Bogen über ihre Knie. »Sie hat es versucht, Polterer. Sie hat es wirklich versucht.«
    Nachmittägliche Stille hatte sich über das Tal gesenkt. Das Rascheln der trockenen Blätter im Wind und das Pfeifen eines Eichhörnchens in der Ferne taten ihren Ohren weh.
    Polterer wurde heftig von einem stummen Weinkrampf geschüttelt.
    Zaunkönig legte ihm eine Hand auf den Arm und drückte ihn sanft. In diesem Augenblick hätte Wilde Rose neben ihm stehen, ihren Sohn anschreien und ihn umarmen können, und er hätte es nicht wahrgenommen.
    Eine Weile beobachtete sie die Wölfe, die ganz in der Nähe im Wald umherstreiften. Hie und da erhaschte sie einen Blick auf ein leuchtend gelbes Augenpaar oder eine rosa Zunge. Es waren fünf, wenn sie sich nicht täuschte.
    »Eines Tages, Polterer, wenn wir einmal erfolgreiche Händler sind, werden wir den mächtigsten Schamamen der Welt damit beauftragen, ihre Seele zu finden und hinauf in die Welt-über-dem-Himmel zu geleiten. Das verspreche ich dir. Sie wird nicht für immer hier auf Erden umherirren müssen.«
    Polterer drehte sich herum, das Gesicht nass von Tränen, und streckte die Hand nach ihr aus. Zaunkönig legte ihren Bogen weg, warf sich neben ihn auf das feuchte Laub und nahm den schluchzenden Jungen in den Arm.
    Zaunkönig hatte den Leichnam ihrer Mutter nie gesehen. Und als sie jetzt diesen verbrannten, von wilden Tieren zerfressenen Körper vor sich liegen sah, wusste sie nicht, was leichter zu ertragen war: Sehen und Gewissheit haben, oder nicht sehen und sich weiterhin mit der trügerischen Hoffnung quälen, dass der Mensch, den man liebte, vielleicht doch noch lebte.
    Aus den Augenwinkeln sah sie am Waldrand etwas Dunkles auftauchen, keine zehn Schritte von ihnen entfernt. Es war ein schwarzer Wolf, der die Schnauze in die Luft reckte und ihre Witterung aufnahm. Er zog die Lefzen hoch, entblößte sein Gebiss und ließ, während er langsam ein paar Schritte den Hang hinab trottete, ein lautes Knurren hören. »Wir müssen hier weg«, wisperte sie Polterer ins Ohr. »Schnell, komm.«
    Als Großmutter Monds leuchtendes Antlitz am Horizont erschien und ihr silbernes Licht durch die Baumkronen warf, verwandelte sich der tiefblaue Himmel in eine opalisierende Muschelschale, unter der der Pfad zu Aschenmonds Füßen wieder deutlicher zu erkennen war. Ein Seufzer der Erleichterung kam über

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