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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Fingerkuppe mit der Paste bestrich, beobachtete sie Polterers Gesicht. »Woran denkst du? Deine Augenbrauen zuckten gerade so seltsam.«
    Er bewegte seinen verbundenen Finger und antwortete dann mit kaum hörbarer Stimme: »Ich habe meine Mutter gefunden.«
    Aschenmond zögerte kurz, legte den Verband an und verschnürte ihn. Dann tippte sie an Polterers Kinn und sah ihn direkt an. Kummer und Schmerz füllten die schwarzen Tiefen seiner Augen. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht daran gedacht, dass der Junge womöglich mit angesehen hatte, wie Springender Dachs seine Mutter erschlug, oder wie sie aus ihrer brennenden Hütte gekrochen war … oder dass er ihre Schreie gehört hatte.
    »Wir haben ihren Körper auch gesehen«, sagte Aschenmond leise.
    Polterer legte seine frisch verbundenen Hände in den Schoß. »Großmutter? Glaubst du … Ich mache mir Sorgen um das zukünftige Leben meiner Mutter. Weißt du, ich habe einen Zeisig gebeten, hinauf in die Welt-über-dem-Himmel zu fliegen und nachzusehen, ob sie dort oben ist, aber er kam nie zurück. Kannst du dir vorstellen, was das zu bedeuten hat?«
    Deutlich sah Aschenmond die schreckliche Angst in seinen Augen, die Angst, dass seine Mutter einsam und allein über die Erde wanderte, ein verzweifelter, heimatloser Geist. »Ach, Polterer, das hätte ich dir schon längst sagen sollen. Du brauchst dir um deine Mutter keine Sorgen zu machen. Sperling und ich wir haben sie begraben.«
    Polterer starrte sie mit offenem Mund an. Ungläubigkeit und Hoffnung rangen in seinen Augen. »Habt ihr ihre Seele in die Welt-über-dem-Himmel gesungen?«
    »Ja, wir haben ihre Seele in die Welt-über-dem-Himmel gesungen. Und ich bin sicher, dass sie in diesem Augenblick mit alten Freunden zusammensitzt und mit ihnen lacht.«
    Seine Wangen zitterten. »Dann kann ich - wenn ich einmal lerne, Seelenzufliegen - sie wieder sehen?« »Ganz gewiss kannst du das.«
    Selig schlang er Aschenmond die Arme um den Hals, und sie drückte ihn an sich. Seine Kapuze rutschte ihm vom Kopf. »Oh, Großmutter. Ich danke dir.«
    Sie hauchte ihm einen Kuss aufs Haar. »Wir konnten sie nicht so liegen lassen, Polterer. Wir haben sie nämlich auch sehr geliebt.«
    Sein warmer Atem strich an ihrem Ohr vorbei. »Ich vermisse sie so sehr«, wisperte er. Sie drückte ihn fester. »Ich auch, Polterer. Aber es gibt etwas, über das ich mit dir sprechen möchte. Deine Mutter hat mich darum gebeten.«
    »Du hast mit ihr gesprochen? Bevor …«
    »Nein, das ist schon lange her. Es war gleich nach deiner Geburt.«
    Er entzog sich ihren Armen und musterte sie erstaunt. »Nach meiner Geburt?«
    »Ja« Die Erinnerung zauberte ein sanftes Lächeln auf ihr Gesicht. »Ich hatte dich gerade gewaschen und in ein weiches Tuch gewickelt, da sah deine Mutter mich an und sagte: ›Aschenmond, falls mir je etwas zustoßen sollte, möchte ich, dass du Polterer zu dir nimmst. Versprich mir, dass du ihn bei dir aufnimmst und ihn großziehst, als wäre er dein eigener Sohn.‹«
    Einen Moment lang schien ihm die Freude darüber, geliebt zu werden und erwünscht zu sein, die Sprache verschlagen zu haben. Er schluckte gegen seine Gefühle an und zupfte verlegen an Aschenmonds Fransen. »Ich liebe dich, Großmutter.«
    »Wir lieben dich auch. Über alle Maßen. Sperling und ich, wir möchten, dass du in Zukunft bei uns lebst. Natürlich nur, wenn du das auch möchtest. Wir wissen, dass du noch andere Verwandte hast, dritte und vierte Cousins und Cousinen im Baumblüte-Dorf …«
    »Aber, Großmutter, zuerst… Ich - ich möchte erst noch meinen Vater finden.«
    »Deinen Vater?«
    »Ja. Zaunkönig und ich«, wisperte er, und seine Stimme klang plötzlich furchtbar verzweifelt, »wir waren schon auf dem Weg, als Blauer Rabe uns fand. Aber jetzt könntet ihr uns ja begleiten! Du und Großvater.« Er lächelte.
    »Wenn ihr bei uns wäret, brauchten wir keine Angst zu haben.«
    Der Schock verdichtete sich als harter Knoten unter ihren Rippen. »Polterer … dein Vater … ich weiß nicht, wo er sich aufhält.«
    »Aber ich habe gehört, wie meine Mutter es dir gesagt hat! Sie sagte, mein Vater sei nach Norden zu den Bilderfelsen gezogen.«
    Aschenmond fühlte sich, als sei sie soeben von einem Blitz getroffen worden. Jede Nervenfaser in ihrem Körper sirrte. Sie hatte die Unterhaltung noch so genau im Ohr, als hätte sie sie erst gestern geführt. Wilde Rose und sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und leise geflüstert, damit sie Polterer,

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