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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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und mein Bruder.«
    Das Falschgesicht-Kind versuchte sich ein wenig aufzurichten, um ihr in die Augen zu sehen. »Wie sind sie gestorben?«
    »Über dem See brach ein Gewittersturm los. Ihr Kanu kenterte. Sie sind ertrunken.« Merkwürdig, dass sie über dieses Unglück berichten konnte, ohne auch nur den Anflug eines Zögerns zu spüren, so als ob es das Herzeleid eines anderen wäre, das zerbrochen und weggeweht wurde wie trockenes Laub. Polterer ließ den Kopf langsam auf den verschneiten Boden sinken. »Sind ihre Echos aus deinem Inneren verschwunden?«
    Über diese Frage musste Zaunkönig erst nachdenken. Manchmal bereitete es ihr schon echte Schwierigkeiten, sich an ihre Stimmen zu erinnern, und das erschreckte sie jedes Mal. Meinte Polterer das mit seiner Frage? »Weiß ich nicht. Ich … ich glaube schon.«
    Unterdrückte Schluchzer zuckten durch die Brust des Falschgesicht-Kindes. »Dann ist meine Mutter wahrscheinlich tot.«
    Zaunkönigs Finger strichen abwesend über die Stelle des Grabes, unter der Gauners spitze Ohren lagen. Die Schluchzer des Jungen bohrten sich wie Krallen in ihr Herz; sie klangen genauso wie ihre eigenen, vor acht Monaten. Sie hatte wenigstens Onkel Blauer Rabe und Gauner gehabt, die sie trösteten. Dieser Junge hatte niemanden.
    »Sie kann nicht tot sein!«, stammelte das Falschgesicht-Kind mit tränenerstickter Stimme. »Sie hat mir versprochen, mich niemals zu verlassen!«
    »Hör mal, du bist doch ein Falschgesicht, oder? Kannst du deine Mutter nicht mit deiner Macht zurückbringen?«
    »Ich besitze keine solche Macht!«
    »Woher willst du das wissen? Hast du es schon einmal probiert?«, ließ Zaunkönig nicht locker. »Bei uns erzählt man sich die Geschichte von einem uralten Zwerg. Hungrige Augen hieß er. Und der konnte die Geister aus der Welt-über-dem-Himmel zurückholen. Er fing sie mit einer Schlinge, steckte sie in einen Beutel aus ungegerbtem Leder und vereinte sie wieder mit ihren Körpern.« »Und diese Menschen wurden wieder lebendig?«
    »Ja. Du bist wahrscheinlich noch nicht alt genug zum Seelenfliegen, aber ich bin davon überzeugt, dass eine solche Macht in dir wohnt. Und selbst wenn ich mich irren sollte, verlierst du nichts, wenn du es wenigstens einmal versuchst.«
    Das Falschgesicht-Kind kniff die Augen zusammen und weinte leise vor sich hin. Wie alle geraubten Kinder, die man ins Wandererdorf brachte, sah auch er verloren und hoffnungslos aus. »Danke«, krächzte er heiser. »Fürs Reden.«
    Zaunkönig zuckte schweigend die Schultern. Sie begann Schnee über Gauners Grab und sein Lieblingsspielzeug zu häufen und meinte dann: »Ich muss jetzt gehen, Polterer. Unsere Anführerin Siebenstern hat jedem verboten, in deine Nähe zu gehen. Wenn sie mich hier erwischt, wird sie mich hart bestrafen.«
    Polterer drehte den Kopf und spähte hinüber zum Wandererdorf, das sich hinter der niedrigen, mit Kiefern bestandenen Anhöhe zu seiner Linken verbarg. Blaue Rauchwolken ringelten sich über den Baumwipfeln. Plötzlich zog er die Stirn in Falten. Anscheinend sah er etwas, das Zaunkönig nicht sehen konnte. Sie erhob sich rasch, von einem mulmigen Gefühl ergriffen.
    »Was ist denn?«, fragte sie.
    »Ich werde das Riegen schnell lernen müssen«, erklärte er mit gehetzter Stimme. »Deine Leute wollen mich nämlich töten.«
    »Woher willst du das denn wissen? Wir haben doch noch gar keine Versammlung abgehalten.« Polterer drehte die Handgelenke unter den strammen Lederriemen. Zaunkönig sah sein Blut in den frisch gefallenen Schnee tropfen und sein Gesicht, das sich unter Schmerzen verzerrte. »Ich weiß es«, flüsterte er.
    Zaunkönig schickte sich an, ins Dorf zurückzugehen, hielt dann aber inne. Polterer biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten. Zaunkönig wusste nicht, warum sie das tat, aber sie kehrte um und kniete sich neben dem verzauberten Kind in den Schnee.
    »Es wird bitterkalt werden, heute«, sagte sie. »Und die Nacht wird noch schlimmer. Ich kann bereits den Sturm in Windmutters Atem riechen.«
    Sie beugte sich über Polterer und steckte sorgfältig den Mantel von Onkel Blauer Rabe unter ihm fest, damit der Wind ihn nicht fortblies. »Versuch, dich nicht zu viel zu bewegen.«
    Polterers Mund öffnete sich, als wollte er ihr danken, doch dann wisperte er: »Wenn du meine Mutter siehst, sagst du ihr dann, dass ich hier bin?«
    »Tja… ich weiß nicht. Damit könnte ich mir eine Menge Ärger einhandeln.«
    »Das weiß ich, aber tust

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