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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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du es trotzdem?«
    »Ich - ich weiß ja nicht einmal, wie sie aussieht.«
    »Sie ist klein und dünn, hat lange, schwarze Haare und Augen so braun wie das Bauchfell von einem Büffel. Und auf ihrer Stirn ist das Bild meines Vaters eintätowiert, ein grüner Baum.« Zaunkönig kaute unbehaglich an ihrer Unterlippe, während sie sich vorzustellen versuchte, wie sie sich an Polterers Stelle fühlen würde - von einem feindlichen Stamm draußen im Schnee angepflockt, weit weg von der eigenen Familie.
    »Also schön, Polterer. Wenn ich sie sehe, sage ich ihr, wo sie dich findet. Aber du darfst niemandem verraten, dass ich das war.«
    Der Junge schenkte ihr ein schwaches Lächeln, und Zaunkönig lächelte zurück. Doch als ihr bewusst wurde, was sie eben getan hatte, schnürte ihr die Angst mit eisigen Händen die Kehle zu. Heilige Geister, wenn irgendjemand herausfand, was sie gerade gesagt hatte, würde man ihr bei lebendigem Leib die Haut abziehen!
    Sie drehte sich rasch um und ging über die Lichtung davon, bis sie aus seiner Sichtweite war. Und dann rannte sie, als ob sämtliche bösen Geister hinter ihr her wären.
    Ein Kind weinte…
    Feuerrabe blieb stehen. Lauschte. Das Weinen hallte durch den Wald, umkreiste ihn wie spielende Falken, manchmal war es so laut, dass er zusammenfuhr und erschrocken herumwirbelte, dann wieder ganz leise, wispernd, lockend.
    »Wer ist da?«, rief er.
    Sein Blick suchte die schneeweiße, glitzernde Umgebung ab. Keine zwanzig Schritte von ihm entfernt stand eine Hirschkuh unter einem Baum, ihre Augen schimmerten wie weiße Muschelschalen, aber ansonsten konnte er keine Menschenseele entdecken.
    »Ehrwürdige Geister, hat mir das Fieber den Verstand geraubt?«
    Schwer atmend stützte er sich mit der Hand an dem Felsbrocken ab, der sich links von ihm erhob. Unaufhörlich fiel Schnee aus dem aschgrauen Himmel, überzog die Baumwipfel mit bauschigen Kronen und breitete eine dicke Decke über den ausgetretenen Pfad. Großvater Tagbringers Gesicht erhob sich schon eine ganze Weile am Horizont, doch sein Leuchten vermochte die Wolken kaum zu durchdringen. Das hier war der richtige Weg. Feuerrabe hatte ihn schon dutzende Male genommen. Anführerin Aschenmond schlug ihr Lager immer irgendwo entlang dieses Pfades auf, manchmal zwei oder drei Tagesmärsche östlich oder westlich, aber immer…
    Warum hatte er das Erdendonner-Dorf noch nicht erreicht?
    Er nahm eine Hand voll Schnee von dem Felsbrocken und schob ihn in den Mund. Die eisigen Kristalle schmeckten herrlich kühl, erfrischten ihn.
    »Ich kann mich doch nicht verirrt haben«, flüsterte er der Hirschkuh zu. »Ich kenne doch diesen Weg!« Die Ohren der Hirschkuh zuckten kurz und drehten sich in seine Richtung, dann trottete sie ins Unterholz. Leise raschelnd schlugen die schneebedeckten Zweige hinter ihr gegeneinander.
    Am Fuße der Anhöhe stand ein verkohlter Baumstumpf. Daran erinnerte er sich.
    Vor nicht einmal vier Monden war er mit Lahmer Hirsch diesen Weg gegangen. Lahmer Hirsch… ach, Lahmer Hirsch.
    Widerstreitende Gefühle ergriffen ihn. Er war sich nie sicher gewesen, was er von diesem Mann halten sollte. Feuerrabe war fünf Winter alt gewesen, als Lahmer Hirsch seinen eigenen Vater getötet hatte, um sich dessen Zauberkraft anzueignen. Seither war Feuerrabe ihm stets mit Misstrauen und Angst begegnet - aber Lahmer Hirsch hatte Feuerrabe das Leben gerettet.
    Er sah an sein mit einem Fellfetzen umwickeltes Bein an. Der Pfeil hatte sich knapp über dem Knöchel in sein Schienbein gebohrt, als er über die Felsenklippe gehechtet war, doch Feuerrabe hatte sich davon nicht aufhalten lassen sondern sich wie ein Verrückter weiter durch den Wald gekämpft. Am ersten Abend hatte er versucht, mit seinem Messer die steinerne Pfeilspitze herauszuschneiden, doch die saß zu tief im Knochen fest. Am dritten Tag war das Bein so angeschwollen, dass er seine Lederleggins erst bis zum Knie und später bis hoch zur Hüfte hatte aufschneiden müssen. Mit jedem Atemzug, den er tat, stach ihm der Geruch der Schattengeister in die Nase, die sich an seinem Fleisch labten. Ihr widerlicher Gestank nach Fäulnis überdeckte sogar den Geruch modriger Baumrinden und alten Laubs.
    … Gelächter waberte durch das Gehölz.
    »Wer ist da?«, brüllte Feuerrabe noch einmal. »Wer bist du? Warum zeigst du dich nicht?« Sein Blick erforschte jeden Schatten, jede ungewöhnliche Färbung zwischen den Bäumen, dann ließ Feuerrabe den Kopf sinken und schüttelte

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