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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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konzentrierte sich auf das Blut, das den harten Lehmboden befleckte. Er hatte den Körper von Weißer Reiher untersucht, nachdem ihre leidgeprüfte Familie sie nach Hause gebracht hatte, um sie für die Beisetzung vorzubereiten, und hatte festgestellt, dass Polterer sie nicht getötet hatte. Zumindest nicht mit seinem Messer. Die Klinge hatte eine Rippe gestreift und war abgelenkt worden. Deshalb auch nur die wenigen Tropfen Blut auf dem Boden.
    »Hast du das gehört?«, fragte sie. »Als ich über den Platz ging, haben die Leute davon gesprochen.« »Ja, ich habe es gehört.«
    Moosschnabel und auch Schädelkappe waren vor einer halben Hand Zeit gestorben. Zaunkönig setzte sich im Schneidersitz neben ihren Onkel. »Glaubst du, dass das Falschgesicht-Kind das getan hat?«
    Blauer Rabe schaute sie an. Schneeflocken sprenkelten ihr Haar. Zaunkönig war ein hübsches Mädchen, doch ihre Augen waren das Schönste an ihr. Groß und dunkel, mit langen, seidigen Wimpern. In den letzten acht Monden hatte Blauer Rabe versucht, ihr Vater, Mutter und Bruder zugleich zu sein - und kläglich versagt. Er hatte nie geheiratet und wenig Erfahrung mit Kindern, schon gar nicht mit Mädchen. Aber er war alles, was Zaunkönig hatte. Die Geister wussten, dass seine Mutter sich herzlich wenig um ihre Enkeltochter kümmerte. Frost-auf-den-Weiden hatte sich noch nie viel aus Kindern gemacht, und als kleiner Junge hatte Blauer Rabe seine Mutter dafür gehasst. Doch im Lauf der langen Winter hatte er gelernt, sich damit abzufinden; es war einfach ihre Art. Er deutete auf die kleine Blutlache. »Wieviel Blut, glaubst du, muss man verlieren, um so eine Lache zu füllen?«
    Zaunkönig streckte eine schmutzige Hand aus und hielt sie dicht über den Blutfleck. »Die Lache ist kleiner als mein Handteller«, stellte sie fest. »Ein Hornlöffel könnte mehr Blut fassen.« Blauer Rabe nickte nachdenklich. »Und dennoch behauptet Siebenstern, dass Polterer Weißer Reiher das Messer ins Herz gestoßen hat.«
    Zaunkönig kniff die dunklen Brauen über ihrer spitzen Nase zusammen. »Wenn er das getan hätte, wäre der Boden hier blutgetränkt, nicht wahr? Ich habe viele Hirsche gesehen, die man mit einem Pfeilschuss mitten ins Herz erlegt hat. Und die haben schrecklich geblutet.«
    »Ja. Ich fürchte, dass Siebenstern gar nicht genau gesehen hat, was passiert ist. Was sie sah, war, dass Polterer mit dem Messer auf Weißer Reiher einstach, und als die zusammensackte und nicht mehr aufstand, hat sie das Schlimmste angenommen. Und ich hätte vermutlich das gleiche gedacht. Du nicht?« Zaunkönig berührte die Blutlache mit einem Finger und wischte ihn dann schnell an ihrem Umhang ab. »Ich hätte bestimmt furchtbare Angst gehabt, Onkel. Ich weiß nicht, was ich gedacht hätte.«
    »Siebenstern hat sich bestimmt auch gefürchtet. Deshalb hat sie Reiher auch nicht sofort untersucht. Ich nehme an, sie war wie gelähmt vor Angst.«
    »Hast du dir die Wunde genauer angesehen?« »Ja, das habe ich. Das Messer ist nicht tief in ihren Körper eingedrungen. Es hat eine Rippe gestreift, dann hat es Polterer fallen lassen und ist weggerannt.«
    Zaunkönig zog mit dem Finger unregelmäßige Kreise um die kleine Blutlache. »Aber Weißer Reiher ist tot.«
    »Ja, sie ist tot. Aber wie das passiert ist, das kann ich nicht sagen. Noch nicht.«
    Die Schneeflocken auf Zaunkönigs Haar waren zu schillernden Wassertröpfchen geschmolzen. »Hast du auch Moosschnabel und Schädelkappe untersucht?« »Das ist meine nächste Aufgabe.« Aufgeregt sprang Zaunkönig hoch. »Darf ich mitkommen? Ich möchte gern …« »Nein.« Sie schaute ihn trotzig an. »Aber …«
    »Kein aber, Zaunkönig. Die Familien der Toten werden außer sich sein vor Kummer und Leid und Dinge sagen, die sie gar nicht so meinen. Das ist nicht der richtige Augenblick für Außenstehende. Als Häuptling unseres Klans muss ich hingehen. Es ist meine Pflicht herauszufinden, was sich heute hier zugetragen hat. Wenn ich nicht müsste, würde ich sie ihrer Trauer überlassen und sie nicht belästigen.« Er deutete zur Tür. »Sag mal, hast du heute Nachmittag nicht Unterricht bei Sumpfbohne? Ich hörte sie morgens davon sprechen, dass sie dir zeigen wollte, wie man hölzerne Schalen herstellt.«
    Zaunkönig ließ resigniert die Schultern sinken. »Ehrlich gesagt, Onkel, hasse ich ihren Unterricht. Sie mag mich nicht. Sie stellt mir immer Fragen, die ich nicht beantworten kann, und dann lachen mich die anderen Kinder

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