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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Erinnerst du dich noch an den Stock, mit dem er immer so gern gespielt hat? Ich fand ihn hinter einem Vorratskorb. Ich befürchtete nämlich, dass die Nachtwanderer keine große Ahnung von Hundespielzeug haben. Meinst du, die kennen sich mit so was aus?«
    Blauer Rabe betrachtete sie mit einem liebevollen Blick. »Ich glaube schon. Aber es freut mich, dass du ihm den Stock gebracht hast.«
    Zaunkönig drehte sich zu ihm um und schlang ihm die Arme um die Hüften. »Ich danke dir, Onkel, dass du mich nicht geschimpft hast. Ich liebe dich.«
    Eine riesige Faust schien sich um sein Herz zu schließen. Er lächelte. »Ich liebe dich auch, meine Kleine.«

7. Kapitel
    Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und der beginnende Abend brachte einen kalten Wind, der nun über den Dorfplatz fegte und das Feuer vor Kleiner Zaunkönig beinahe ausblies. Asche und Rauch wehten ihr ins Gesicht. Sie wischte sich die Augen und ließ die halb fertige Holzschüssel in den Schoß sinken. Die Luft war erfüllt von dem süßen Duft brennender Hickoryscheite. Die beiden anderen Mädchen, Rebenstock und Dunkler Wind, die ihr gegenüber am Feuer knieten, hielten sich ihre Holzschalen als Schutz vor der fliegenden Asche vors Gesicht. Der orangerote Schein der Flammen tanzte über die grob geschnitzten Böden der Schalen.
    Die sich zu grauen Riesen auftürmenden Wolken versprachen weitere Stürme, doch noch warf die Dämmerung ihr schwaches Licht über die Gesichter der Dorfbewohner, die auf dem großen Platz um ihre Feuer saßen. Rechts von Zaunkönig hatten sich elf alte Frauen um ein Feuer versammelt, Sumpfbohne war auch darunter. Sie hatte ihren Unterricht beendet und den Mädchen aufgetragen, weiter an ihren Schalen zu arbeiten, während sie sich nun ihren Pflichten widmete, der Herstellung von Schnüren, die sie aus der weichen, faserigen Rindenschicht der Linde gewann. Ihr weißes Haar schimmerte silbern im Feuerschein. Sie trug einen farbenprächtig bemalten Umhang aus feinem Hirschleder, der mit Muscheln und Blaugefärbten Stachelschweinborsten bestickt war. Das Gelächter der alten Frau war im ganzen Dorf zu hören. Aus den feiner gedrehten Lindenfasern würde man später Schals und Armbänder weben. Die robusteren Schnüre wurden zu Matten und Hängekörben geflochten. Links von Zaunkönig standen etwa zwanzig Männer in einem Kreis beieinander, überwiegend ganz junge Burschen oder Greise. Beinahe alle Männer im kriegerfähigen Alter und auch viele Frauen hatten Springender Dachs auf den Kriegszug begleitet. Denjenigen Männern, die zurückgeblieben waren, fiel eigentlich die Aufgabe zu, das Wandererdorf zu bewachen, doch für gewöhnlich begnügten sie sich damit, ums Feuer herumzustehen und sich in endlosen Prahlereien über vergangene Kriegszüge zu ergehen oder solche, an denen sie in Zukunft teilzunehmen hofften.
    Zaunkönig wunderte das. Ihr Onkel war ein großer Krieger gewesen, doch er sprach kaum von seinen Beutezügen und Erfolgen, weil er es für klüger hielt, die Schrecken und Gräuel in seiner Seele verschlossen zu halten. Dennoch liebten es die meisten Krieger, mit stolz geschwellter Brust über ihre Heldentaten zu berichten, so als ob sie das Töten als die größte Erfüllung ihres Lebens betrachteten. Ihr Volk hielt Tapferkeit und Kampfeskunst in hohen Ehren, gleichzeitig aber galt Bescheidenheit als große Tugend. Daher konnte Zaunkönig nicht verstehen, warum sich jemand so gern damit brüstete, einen anderen Menschen abgeschlachtet zu haben, oder immer wieder in allen Einzelheiten zu beschreiben, auf welche Art und Weise ein feindlicher Krieger sein Leben gelassen hatte. Zaunkönig empfand das als grausam.
    »Also, wenn ihr mich fragt, trägt dieser Junge das Böse in sich«, warf Dunkler Wind unvermittelt in die Runde. »Und wenn man mich auffordert, meine Meinung kund zu tun, dann werde ich genau das sagen.«
    Dunkler Wind, hochgewachsen und schlank, trug ihr Haar zu einem straffen Knoten oben auf dem Kopf zusammengefasst. Sie war das hübscheste Mädchen im Dorf, mit den breiten Backenknochen in einem ovalen Gesicht und den großen Augen, deren Farbe den goldenen Schwingen eines Adlers glich. Und obwohl sie erst dreizehn Winter zählte und noch nicht zur Frau herangereift war, lächelte sie schon den jungen Burschen zu.
    »Das heißt, dass dein Urteil schon feststeht, Schwester? Noch ehe du dir die Berichte angehört hast?« Im Bärenvolk war es Sitte, alle Frauen, die gemeinsam in einem Langhaus wohnten,

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