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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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deutete, die zu ihren Füßen auf dem Boden lag. »Sie hatte Mitleid mit ihm. Die Krieger hatten seine Fesseln so stramm gezogen, dass sie blutende Striemen in die Hand- und Fußgelenke geschnitten hatten. Deshalb hatte Weißer Reiher gemeint: ›Er ist doch nicht größer als ein Junge von vier Wintern. Ich denke, es reicht, nur seine Beine gefesselt zu lassen. Er wird uns keine Scherereien machen. ‹ Sie nahm ihr Messer, um ihm die Handfesseln durchzuschneiden, und der Junge… schlug ohne Vorwarnung zu, Blauer Rabe! Blitzschnell wie eine Schlange! Er riss Weißer Reiher das Messer aus der Hand und rammte es ihr mitten ins Herz! Dann…« Sie hob wieder ihr eigenes Messer hoch, und jetzt erst sah Blauer Rabe, dass Blut an der hellen Steinklinge klebte. »Er hat Weißer Reiher getötet und ist dann dort hinaufgeflogen. Ich schwöre es! Er flog hinauf wie eine flügellose Amsel! Ich - ich habe ihn mit meinem Messer noch erwischt, als er sich in die Luft erhob, aber er…«
    Blauer Rabe drehte sich zu Weißer Reiher um. »Dann ist sie «
    »Ja.« Ein Schluchzer erstickte Siebensterns Stimme. Sie presste eine Hand auf den zahnlosen Mund, um die Klagelaute zurückzuhalten, die in ihrer Kehle aufstiegen, und nickte.
    »Ehrwürdige Götter. Was für ein Unglück für unseren Klan! Jeder von uns liebte sie von ganzem Herzen.«
    Wut und Trauer kämpften in seinem Inneren um die Vorherrschaft. Weißer Reiher war dem Klan seit dreißig Wintern eine gewissenhafte Anführerin gewesen, hatte sich um die Kranken gekümmert und den Hungrigen zu Essen gegeben. Und sie hatte die Kinder über alles geliebt. Das Volk würde lautstark nach Vergeltung schreien, sobald die Nachricht die Runde gemacht hatte. »Hat der Junge das Messer noch?«, erkundigte er sich.
    »Nein!« Siebenstern deutete zu Weißer Reiher hin. »Er hat es fallen lassen, als er sah, was er angerichtet hatte, hat es geradezu von sich geschleudert, als habe er sich daran verbrannt. Das Messer liegt neben Weißer Reiher auf dem Boden.«
    Blauer Rabe sah es nicht. Aber er sah auch keinen Tropfen Blut. Das düstere Licht verbarg ihm möglicherweise eine Fülle von Dingen vor ihm.
    »Warum hast du nicht um Hilfe gerufen, Siebenstern? Es hätte dich bestimmt jemand gehört und wäre herbeigeeilt.«
    Siebenstern wischte sich mit dem Ärmel ihres roten Kleides über die feuchten Augen. »Es ist gerade erst passiert. Ich war viel zu erschrocken, um zu schreien. Und ich fürchtete, er würde möglicherweise entfliehen, sich in einen Waldgeist verwandeln und unser Dorf zerstören, wenn ich den Blick auch nur für einen Moment von ihm abwendete.«
    Wut überlagerte jetzt alle anderen Gefühle, die in Blauer Rabes Brust tobten. Wut auf Springender Dachs, weil er darauf bestanden hatte, den Jungen zu rauben, und auf seinen Klan, weil sie dem Überfall zugestimmt hatten. Wie viele Menschen hatten deshalb ihr Leben lassen müssen? Blauer Rabe ging zurück zur Tür, hob den Ledervorhang hoch und schlang ihn um die Haltestange. Dann legte er eine Hand an den Mund und rief, so laut er konnte: »Eichel, Quellwasser? Kommt her! Schnell! Wir …« Unter dem Dach erhob sich ein Rauschen, als schlage ein riesiger Vogel mit den Hügeln. Blauer Rabe sprang schier das Herz aus der Brust, als er herumfuhr. Die Dunkelheit, die den Jungen umgab, schien aufzuwirbeln und zu verwehen, als fächelte sie jemand mit einem Federbüschel hinweg. Im Zentrum des Wirbels griff eine kleine Hand verzweifelt nach einem Dachbalken.
    »Siebenstern«, sagte Blauer Rabe mit achtunggebietender Stimme. »Geh hinaus. Jetzt sofort. Versichere dich, dass Eichel und Quellwasser meinen Ruf gehört haben. Wenn nicht, dann schick sie zu mir. Ich bleibe hier und …«
    »Ich werde sie holen, Onkel!« Es war Zaunkönig, die plötzlich heftig schnaufend im Eingang auftauchte und sich mit großen Augen neugierig in dem Versammlungshaus umblickte. Als sie die dunkle Gestalt unter dem Dach hängen sah, erstarrte sie wie die Maus vor der Eule. Blauer Rabe wollte sie schon schelten, doch stattdessen sagte er: »Zaunkönig, hilf Anführerin Siebenstern den Pfad hinauf und bring sie ins Dorf zurück.«
    »Ja, Onkel!«
    Zaunkönig rannte zu Siebenstern hin, nahm sie am Ellbogen und half der alten Frau beim Aufstehen. Ohne ein weiteres Wort gingen die beiden an ihm vorbei, hinaus ins Tageslicht.
    »Ich suche Eichel und Quellwasser, Onkel!«, rief Zaunkönig über die Schulter.
    Blauer Rabe erschauderte.
    Im Versammlungshaus war es

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