Voyeur
Moment dachte ich, dass Sie einen anderen |66| Job gefunden haben und sofort aufhören wollen. Natürlich können Sie noch so lange bleiben!»
«Dann sind Sie nicht böse?»
«Natürlich bin ich nicht böse! Ich kann nicht verhehlen, dass ich es schade finde, wenn Sie gehen, aber was könnte ich
denn dagegen haben? Ich freue mich für Sie beide.»
Ihre Miene hellte sich auf. Sie strahlte regelrecht. «Wirklich? Ich hatte Angst, es Ihnen zu sagen, weil ich dachte, Sie
würden mir sofort kündigen oder so.»
«Halten Sie mich für ein solches Scheusal?»
«Nein, natürlich nicht. Ich hatte nur …» Sie wurde wieder verlegen.
«Jedenfalls bin ich froh, dass Sie es mir erzählt haben. Das sind doch wunderbare Neuigkeiten.» Ich hatte plötzlich einen
Einfall. «Ich finde sogar, dass man es feiern sollte. Haben Sie mittags schon etwas vor?»
«Nein, nichts.»
«Dann haben Sie jetzt etwas vor. Und wenn Sie meine Einladung ablehnen wollen, werde ich Sie wirklich feuern, also versuchen
Sie es gar nicht. In Ordnung?»
Anna lachte. «Sieht so aus, als hätte ich keine Wahl.»
«Nicht die geringste.» Ich schaute auf meine Uhr. «Jetzt ist es halb zwölf. Ich muss erst noch ein paar Dinge erledigen,
aber wenn wir um zwölf gehen, dürfte es in den Restaurants noch nicht allzu voll sein. Wie klingt das?»
«Wunderbar.» Sie lächelte breit.
«Dann werde ich mich beeilen.»
Ich ging ins Büro und schloss die Tür. Trotz der Tatsache, dass Annas Abreise nun offiziell war, war ich guter Laune. Sie
war in keiner Weise dazu verpflichtet gewesen, es so bald |67| zu sagen. Das konnte nur bedeuten, dass sie mir zugetan war. Ich nahm das Telefon und rief Zeppo an. Es klingelte lange,
ehe er ranging.
«Ja?»
«Zeppo? Hier ist Donald Ramsey.»
Ein Stöhnen war zu hören. «Donald? Was willst du? Gott, ich bin noch im Bett.»
«In dem Fall kannst du mir dankbar sein, dass ich dich raushole. Ich esse mit Anna zu Mittag, und ich möchte, dass du auch
dort bist.»
«Mittag essen? Auf keinen Fall.»
«Es ist wichtig.»
«Heute Nachmittag habe ich schon was vor. Außerdem bin ich nicht allein.»
«Dann werd sie los und sag alles andere ab. Diese Gelegenheit dürfen wir uns nicht entgehen lassen.» Ich erklärte, was passiert
war, und sagte ihm, in welches Restaurant wir gehen würden. «Wir werden kurz nach zwölf dort sein. Du kannst eine halbe
Stunde später kommen. Du hast also eine Stunde Zeit. Wenn du dich beeilst, müsstest du es schaffen.»
Er seufzte verärgert. «Na gut. Ich komme so schnell, wie ich kann. Aber ich finde es echt scheiße.»
«Dafür bezahle ich dich.»
«Hey, ich habe gesagt, ich komme, okay?» Seine Stimme klang gereizt.
Ich hatte langsam genug von seinen Launen. «Und dürfte ich dich freundlicherweise bitten, dieses Mal bessere Laune zu haben?»
«Ich werde die Liebenswürdigkeit in Person sein», sagte er und legte auf.
|68| Er kam zu spät. Aber das hatte ich nicht anders erwartet, und ich wollte mir dadurch nicht die Freude über Annas Gesellschaft
verderben lassen. Jetzt, wo sie mir alles erzählt hatte, war sie beschwingt und fröhlich, und als Zeppo schließlich auftauchte,
schmerzte es mich kurzzeitig, dass ich sie nicht länger für mich allein hatte.
«Das ist doch Ihr Freund Zeppo, oder?», fragte sie mit einem Blick über meine Schulter. Ich drehte mich um. Er stand an
der Bar. Ich winkte ihn zu uns.
«Was macht ihr denn hier?» Er lächelte uns beide an. Er wirkte aufrichtig überrascht.
«Wir feiern. Anna geht nach New York.»
Er wandte sich an sie. «Phantastisch! Für wie lange?»
«Hoffentlich für immer.»
«Sie geht mit ihrem Freund. Du hast ihn auf der Party kennengelernt, glaube ich.»
«Ich erinnere mich. Marty. Na, das ist ja großartig. Glückwunsch.»
Von seiner Übellaunigkeit war nichts mehr zu spüren. Entweder war er ein ausgezeichneter Schauspieler, oder er hatte sich
irgendwie aufgeheitert. Was wirklich dahintersteckte, war mir im Grunde egal, ich war nur dankbar dafür.
«Warum setzt du dich nicht zu uns?», fragte ich. «Es sei denn, du bist verabredet.»
Er schaute auf seine Uhr. «War ich eigentlich, aber er ist nicht hier. Vielleicht habe ich ihn verpasst, denn ich habe mich
verspätet.»
«Dann trink doch ein Glas Wein mit uns. In der Flasche ist bestimmt noch ein Tropfen drin.»
Er setzte sich. Ich schenkte ihm Wein ein und beobachtete |69| Anna, die mit ihm plauderte. Sie hatte die Arme auf den Tisch gelegt
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