Voyeur
Andererseits glaubte er immer noch, er würde das alles nur des Geldes wegen machen. Weil er
sich dafür entschieden hatte. |72| Bald würde ich ihm zu verstehen geben müssen, dass es anders war.
Im Moment musste ich aber die Zeit totschlagen. Gegenüber der Galerie gab es ein Café, in dem ich warten konnte. Ich parkte
in einiger Entfernung, damit Anna den Wagen nicht erkannte, und ging zu Fuß zurück. Kaum war ich losgegangen, begann es
zu regnen. Als ich das Café erreichte, war ich völlig durchnässt. Ich bestellte eine Tasse Kaffee und setzte mich unangenehm
klamm an einen Tisch am Fenster. Von dort konnte ich die Galerie auf der anderen Straßenseite im Auge behalten. Dass mich
jemand von draußen aus erkennen würde, bezweifelte ich. Auf dem Fensterbrett standen eine Menge Pflanzen, außerdem war die
Scheibe so beschlagen, dass ich kaum durchgucken konnte. Ich nippte an dem entsetzlichen Kaffee und wartete.
Ich begann gerade zu befürchten, dass Zeppo Anna irgendwo anders hingelockt hatte, als ich sah, wie sein Wagen ein Stückchen
die Straße hinab anhielt. Einen Moment später liefen die beiden, geschützt unter Zeppos Mantel, zur Galerie. Mich erfreute
diese unerwartete Intimität, ich sah den Regen nun als etwas Positives an. Ich beobachtete, wie die beiden eintraten und
dann vor dem Hintergrund des trüben Nachmittags die Lichter angingen. Wie in einer stummen Pantomime konnte ich sie nun deutlich
durch die großen Fenster der Galerie sehen. Beide schienen ständig zu lächeln. Das Telefon musste geklingelt haben, denn
Anna nahm plötzlich den Hörer ab und schrieb etwas auf. Zeppo schaute ihr einen Moment lang zu, stellte sich dann vors Fenster
und blickte hinaus. Instinktiv wich ich zurück, aber er sah mich nicht. Nach einer Weile beendete Anna das Telefonat, schrieb |73| noch etwas auf und sagte dann etwas zu ihm. Er antwortete nickend. Sie lachten.
Als ich wieder an dem Kaffee nippte, merkte ich erstaunt, dass er kalt war. Ich wollte gerade einen neuen bestellen, sah
dann aber, wie jemand in die Galerie ging. Soviel ich erkennen konnte, war es eine Frau, allerdings hatte sie mir den Rücken
zugewandt. Erst als sie sich umdrehte, um Zeppo zu begrüßen, erkannte ich sie. Es war Miriam, die ziemlich sonderbare Innenarchitektin,
die auf meiner Party gewesen war. Ich hoffte, dass sie wieder ging, sobald sie erfuhr, dass ich nicht dort war. Doch sie
schien keineswegs die Absicht zu haben, und als Anna kurz verschwand und mit drei Tassen auf einem Tablett zurückkam, wusste
ich, dass Miriam vorhatte zu bleiben.
Ich verfluchte sie und schaute auf meine Uhr. Es war genug Zeit verstrichen, um meine Rückkehr zu rechtfertigen, und da
Anna und Zeppo nicht mehr allein waren, gab es auch keinen Grund mehr, fernzubleiben. Ich verließ das Café und ging zu meinem
Wagen, wobei ich wieder nass wurde. Ich parkte hinter der Galerie und ging hinein.
«Volles Haus, wie ich sehe», sagte ich. «Für einen schönen Moment dachte ich, es wären Kunden.»
«Tut mir leid, Sie zu enttäuschen», sagte Miriam. «Ich kam gerade vorbei, und da dachte ich, ich schaue mal, ob Sie da
sind. Anna hat mich gerettet und mir eine Tasse Kaffee gemacht. Mein Gott, Donald, Sie sind ja völlig durchnässt!»
«Ja, ich bin in den Regen gekommen.» Ich zog meinen Mantel aus und schüttelte ihn. «Das zeigt mir wieder, dass ich in Zukunft
einen Parkplatz finden muss, der näher liegt.»
«Möchten Sie einen Kaffee?», fragte Anna.
|74| «Sehr gern, danke. Dann ist deine Verabredung zum Essen also nicht mehr gekommen?», sagte ich zu Zeppo. Erst nachdem ich
gesprochen hatte, wurde mir klar, dass es so wirken musste, als wollte ich ihn ins Abseits stellen. Aber er konterte die
Frage elegant.
«Nein, aber da ich zu spät gekommen bin, war es wohl meine Schuld. Ich muss ihn verpasst haben. Und wie war dein Treffen?»
Jetzt trat er nach. «Äh … unproduktiv.»
«Was für ein Jammer. Hat nicht lange gedauert, oder?» Er nippte an seinem Kaffee. Die Bemerkung klang ganz harmlos.
«Nicht so lange, wie mir lieb gewesen wäre. Aber egal.» Ich wandte mich schnell an Miriam. «Das ist ja eine angenehme Überraschung.
Ich habe nicht damit gerechnet, Sie so bald nach der Party wiederzusehen. Ist das ein reiner Höflichkeitsbesuch, oder gibt
es einen tieferen Beweggrund für Ihr Kommen?»
«Sie sind ein Zyniker, Donald. Im Grunde beides. Es ist ein reiner Höflichkeitsbesuch, aber ich
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