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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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lächelte ihn
     an. «Noch etwas Wein?»
     
    *
     
    Anna arbeitete seit fast vier Monaten in der Galerie. In den ersten drei hatte ich sie kaum wahrgenommen. Ich hatte sie angestellt,
     nachdem ihre Vorgängerin, deren Namen ich vergessen habe, blöd genug gewesen war, sich ausgerechnet von einem Bus überfahren
     zu lassen. Anna war einfach eine weitere Assistentin gewesen, die letzte in einer langen Reihe junger Frauen, die ich über
     die Jahre als Aushilfe engagiert hatte. Solange sie pünktlich und einigermaßen kompetent waren, interessierte ich mich nicht
     weiter für sie. Die Tatsache, dass Anna attraktiv war, war Zufall und hatte keine Bedeutung.
    Sex war mir schon immer ziemlich gleichgültig gewesen. Selbst als junger Mann hatte ich kein großes Interesse an dem Thema
     gehabt, und das bisschen Neugier, das ich hatte, wurde erst mit Mitte zwanzig befriedigt, als ich mich dazu verleiten
     ließ, die Dienste einer Prostituierten in Anspruch zu nehmen. Die Erfahrung war unangenehm, und ich verspürte keinerlei
     Bedürfnis, sie zu wiederholen. Stattdessen verdrängte ich den Vorfall und konzentrierte mich auf ein würdevolleres Ventil
     für meine Energien: Kunst.
    Eine Zeitlang wollte ich selbst Künstler werden. Leider schien mein Talent jedoch eher darin zu bestehen, Kunstwerke |19| einzuschätzen, als zu erschaffen, eine Tatsache, die mich glücklicherweise dazu brachte, von meinen Versuchen abzulassen,
     ehe sie zu peinlich wurden. Ich war enttäuscht, aber realistisch. Wenn mir meine eigene Arbeit keine Karriere ermöglichen
     kann, so schlussfolgerte ich, könnte ich es wenigstens durch die Arbeit anderer Leute zu etwas bringen. Ich besaß bereits
     eine bescheidene Sammlung von Ölgemälden und Aquarellen, sodass der nächste Schritt auf der Hand zu liegen schien. Ich wurde
     Händler.
    Mein Interesse an erotischer Kunst entfaltete sich allerdings erst mit dem Erwerb meines ersten Artefaktes. Es handelte sich
     um eine französische Schnupftabaksdose aus dem achtzehnten Jahrhundert, deren Wert sich nicht offenbart, bevor man sie öffnet.
     Auf der Innenseite des Deckels befindet sich das Bild einer jungen Frau, die kokett ihre Röcke hebt, um zu zeigen, dass
     sie darunter nichts trägt. Ich war sofort verzaubert. Ich musste die Dose haben und war gekränkt, als sich der Besitzer,
     ein älterer Mann, den ich wegen einer anderen Angelegenheit aufgesucht hatte, beharrlich weigerte, sie zu verkaufen. Erst
     als er starb, konnte ich seine Witwe davon überzeugen, dass ihr Ehemann eine Vereinbarung mit mir getroffen hatte, und
     so die Dose für mein ursprüngliches Angebot erwerben.
    Die Schnupftabaksdose wurde das erste Stück meiner speziellen Privatsammlung. Natürlich war mir bewusst, welche Ironie darin
     steckte, von Erotika fasziniert zu sein, während der eigentliche Vollzug keinen Reiz auf mich ausübt. Doch dieses und auch
     die folgenden Kunstwerke schienen eine Feinheit und eine Anmut zu besitzen, welche dem körperlichen Akt völlig fehlen. Sie
     erfüllten mich auf eine Weise, wie es der bloße Geschlechtsverkehr nie getan hatte.
    |20| Zufrieden mit meinem Leben, kam ich in die Jahre. Ich hatte alles, was ich wollte: ein florierendes Geschäft und eine private,
     harmlose Leidenschaft, die zu befriedigen ich mir leisten konnte. Ich wollte meine Situation weder verändern, noch sah ich
     irgendeinen Grund, warum sie anders sein sollte. Und wäre ich nicht eines Abends geistesabwesend gewesen, wäre das wohl
     auch immer so geblieben.
    Anna hatte die Galerie schließen sollen, da ich auf dem Weg zu einer Auktion war. Die Veranstaltung war nur für geladene
     Gäste, und ich war schon fast dort, als mir einfiel, dass ich meine Einladung im Büro vergessen hatte. Verärgert fuhr ich
     zurück, um sie zu holen.
    Ich rechnete damit, die Galerie leer vorzufinden. Es war nach Geschäftsschluss, als ich zurückkehrte, sodass ich annahm,
     dass Anna bereits nach Hause gegangen war. Ich parkte in der Gasse auf der Rückseite und schloss auf. Im Gebäude war alles
     dunkel. Zwei Treppen führen hinauf ins Büro, eine von der Galerie im vorderen Bereich, die andere vom hinteren Lagerraum.
     Am Fuße der letzteren schaltete ich das Licht an. Die Birne flackerte und ging dann aus. Wütend stieg ich die Stufen im Dunkeln
     hinauf, und erst als ich schon fast oben war, fiel mir auf, dass im Büro Licht brannte.
    Meine spontane Reaktion war, zurück zum Wagen zu gehen und die Polizei zu rufen. Im Falle

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