Voyeur
Flughafen abholen und direkt in die Galerie bringen. Wenn er sich also bei Ihnen
melden will, wird er es eher dort als hier versuchen, nicht wahr?»
Sie nickte, war aber eindeutig nicht überzeugt. «Wir sollten sowieso lieber fahren. Ich raube Ihnen nur Ihre Zeit.»
Ich tat ihre Bedenken mit einer Handbewegung ab. |169| «Trinken wir zuerst den Tee. Dann werden Sie sich ein bisschen beruhigen. Und wenn er in der Zwischenzeit in der Galerie anruft,
wird er eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.» Ich hatte es nicht eilig. Gemeinsam mit Anna in ihrer Wohnung
zu sein, umgeben von ihren Sachen, löste ein Gefühl der Vertrautheit aus, das mir gefiel. Es war mein erster Ausflug in
ihr Privatleben. Das Wasser kochte.
«Und, wo ist der Tee?»
Während ich die Teekanne füllte, ging Anna ins Wohnzimmer, und ich hörte, wie sie wieder telefonierte. Ich nahm die Milch
aus dem Kühlschrank, vergewisserte mich, dass sie nicht sauer geworden war, und schenkte sie in zwei Becher. Ich fragte
mich, wann Anna merken würde, dass ein paar von Martys Sachen fehlten. Ich hätte fast vorgeschlagen, dass sie nachschauen
soll, aber ich widerstand der Versuchung. Ich stellte die Kanne und die Becher auf ein Tablett und ging damit ins Wohnzimmer.
Anna war immer noch am Telefon. Als ich hereinkam, sagte sie gerade: «Okay, Al. Trotzdem danke», und legte auf. «Ich habe
jeden angerufen, bei dem er sein könnte, aber niemand weiß, wo er ist.» Die Sorge begann sie aufzureiben.
«Trinken Sie.» Ich gab ihr einen der Becher. «Es bringt nichts, sich grundlos aufzuregen.»
«Ja, aber wo ist er nur?»
«Ich weiß es nicht, aber Sie werden es bestimmt bald erfahren. Versuchen Sie, es vernünftig zu sehen. Es ist erst Viertel
vor zwölf. Finden Sie nicht, dass es ein bisschen früh ist, um in Panik zu geraten?»
Sie schwieg. Rührte ihren Tee nicht an. Ich wusste, dass |170| es nur eine Frage der Zeit war, bis sie in die Galerie fahren wollte, um zu schauen, ob Marty dort angerufen hatte.
«Darf ich die Toilette benutzen?», fragte ich, um dem zuvorzukommen.
«Auf dem Flur, die Tür auf der rechten Seite.» Anna schaute nicht einmal auf, als ich das Wohnzimmer verließ. Ich schloss
die Tür hinter mir. Der Flur war klein. Eine Tür ging nach links ab, eine nach rechts. Die linke führte bestimmt ins Schlafzimmer.
Nach kurzem Zögern öffnete ich sie.
Ich schaute auf ein Doppelbett, das fast den gesamten Raum füllte. Der restliche Platz wurde von einem abgebeizten Kiefernschrank
und einer Kommode beansprucht. Der Duft von Annas Parfüm hing in der Luft. Ich scheute mich davor, länger zu verweilen,
und wollte gerade die Tür zumachen, als ich das gerahmte Foto auf der Kommode sah.
Es zeigte Anna und Marty am Strand, beide in Badekleidung. Marty war so blass und gnomenhaft, wie ich es mir vorgestellt
hatte, doch ich beachtete ihn kaum. Es war der Anblick von Anna, der mich hypnotisierte. Sie trug einen weißen Bikini und
war offenbar gerade schwimmen gewesen. Wassertropfen glitzerten in ihrem Haar, perlten von ihrem Körper und hoben ihren tiefen
Bauchnabel hervor. Unter dem nassen Stoff des Bikinioberteils zeichneten sich deutlich ihre Brustwarzen ab, und die schmale
Hose war hüfthoch geschnitten und fiel in einem tiefen V hinab zum Schritt, wo sich ein kleiner Hügel wölbte. In seiner Mitte
war eine schwache, vertikale Vertiefung zu sehen.
Meine Brust schnürte sich zusammen, während ich das Foto anstarrte. In diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben, es zu
besitzen. Ich musste meine gesamte Willenskraft |171| aufwenden, um mich davon zu lösen und die Tür zu schließen. Ich ging ins Bad und wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser. Mit
etwas mehr Selbstbeherrschung schaute ich mich im Bad nach weiteren Spuren von Annas Privatleben um. Das Regal über dem Waschbecken
war voller Fläschchen und Döschen, und auf dem Badezimmerschrank drängten sich ähnlich viele Sachen. Ich öffnete ihn. Gleich
als Erstes fiel mir eine große Packung Damenbinden ins Auge. Schnell machte ich die Tür wieder zu.
Ohne die Toilette benutzt zu haben, betätigte ich die Spülung und ging dann zurück ins Wohnzimmer.
«Wollen wir in die Galerie fahren?», fragte Anna sofort. Ich willigte ein. Es gab keine Ausreden mehr.
Auf dem Anrufbeantworter waren mehrere Nachrichten, aber natürlich keine von Marty. Ich gab weitere beruhigende Äußerungen
von mir, doch mittlerweile wurde Annas Sorge
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